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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
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nachsteigen. Sonst fehlt Ihnen wie meinem Felix bald ein Ohr, vom Schwanz ganz zu schweigen.«
    »Danke für den Rat«, sagte er, während er die Hände über seinem Schoß faltete.
    »Sie widersprechen nicht, also wieder so ein junges Ding.«
    Darauf ging er jetzt besser nicht ein.
    »Und ist sie auch noch verheiratet?
    »Was?« Er tat so, als hörte er schlecht.
    »Ob sie verheiratet ist?«
    Michaelis hob eine Hand und betastete noch mal sein Veilchen, das immer noch ordentlich wehtat. »Warum sind Sie immer so voreingenommen, Lotte. Und wie kommen Sie eigentlich darauf, dass sie verheiratet ist?«
    Lottes Blick landete auf seinem blauen Auge.
    »Also gut, sie ist verheiratet«, gab er zu. »Aber es war ihre freie Entscheidung.«
    Sie nickte und starrte dann plötzlich mit zusammengezogenen Augenbrauen auf seine nackten Füße, und er wusste sofort, was ihr nun schon wieder durch den Kopf ging. Keine Chance, meine Liebe, sagte er sich. Nicht im Sommer, und außerdem sind sie frisch gewaschen. Trotzdem zog er die Füße unter den Stuhl.
    »Wie heißt denn die Glückliche?«, fragte sie jetzt und lehnte sich neben dem Herd gegen die Arbeitsplatte.
    Michaelis zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, musste er zugeben. Irgendwie war in der letzten Nacht nicht die Zeit für ausgiebige Gespräche gewesen. »Das ist doch auch nicht wichtig, aber sie will sich von ihrem Mann trennen.«
    Lotte zog die Stirn kraus.
    »Hat sie jedenfalls gesagt«, behauptete er, nachdem er ihren Blick ausgemacht hatte.
    »Und der sieht das anders, oder wie?«, behauptete Lotte mit aufgeblasenen Wangen und zog jeden Buchstaben so lang wie nur möglich.
    »Sieht wohl so aus«, antwortete er und betastete erneut sein Veilchen. »Was ist daran so komisch?«
    Ein Funken von Optimismus zuckte in ihren Augen auf, unterstützt von einem anerkennenden Nicken. »Was daran komisch ist? Sie sind fünfundsechzig, wenn ich mich nicht irre … und da könnte man doch erwarten, dass sie nicht die gleichen Fehler machen wie mein Felix.« Dann hielt sie einen Lappen unter fließendes Wasser, kam zu ihm an den Tisch und drückte ihm das feuchte Tuch aufs Auge. »Festhalten, dann geht die Schwellung vielleicht noch zurück … Hat er Ihnen das verpasst?«
    Das musste ja so kommen. Als ob die Situation nicht schon peinlich genug war. Aber er war selbst schuld. Er hätte ja nur leise an Lotte vorbeigehen müssen, bis in sein Zimmer, wo er ungestört geblieben wäre. Aber der Hunger hatte ihn einen anderen Weg nehmen lassen.
    »Ja«, sagte er. »Er hatte wohl keine Freude mehr an der Dienstreise und kam früher zurück, als erwartet.« Mehr wollte er dazu nicht sagen, und auch Lotte schien mit dem Thema durch zu sein, denn sie ging zum Herd zurück, nahm die große gusseiserne Pfanne und löffelte eine ordentliche Portion Rührei auf einen Teller.
    »Danke, das reicht.« Mit der freien Hand schob er erst die Pfanne weg und begann dann, mit der Gabel das goldgelbe Rührei in seinen Mund zu schaufeln.
    »Schmeckt’s?«, fragte Lotte und setzte sich ihm gegenüber.
    Nein, bitte nicht, ging es ihm durch den Kopf. Nicht heute und nicht beim Frühstück. Aber Lottes Augen brachten zum Ausdruck, dass es mal wieder so weit war, und so wischte sie sich die Hände an der Schürze ab und griff in die Kitteltasche.
    »Herr Michaelis«, begann sie wie zu jeder Monatsmitte. »Sie zahlen seit Jahren den gleichen Betrag für Ihr schönes Zimmer, aber das Leben verteuert sich fast von Stunde zu Stunde. Da müssen wir mal ernsthaft drüber reden. Wie soll ich sonst mein Auskommen haben?«
    »Von mir nicht. Ich bin jetzt Rentner«, warf er mit vollem Mund ein.
    »Und was soll das nun wieder heißen: Sie sind jetzt Rentner?«
    »Da reicht’s eben hinten und vorne nicht mehr.«
    »Dass ich nicht lache«, tönte sie. »Sie werden als ehemaliger Chefredakteur des Märkischen Kuriers schon eine ordentliche Rente beziehen. Außerdem habe ich erst gestern wieder gelesen, dass Sie noch immer Kommentare für die Zeitung schreiben. Das machen Sie doch auch nicht umsonst, oder?« Sie wackelte mit dem ausgestreckten Zeigefinger vor seinem unverletzten Auge. »Erzählen Sie mir bloß nichts … Sie dürfen Ihr Geld nur nicht immer für diese Weibsbilder ausgeben.«
    »Mach ich doch gar nicht«, warf er ein, aber so schnell gab Lotte nicht auf.
    »Nein? … Wenn ich sehe, wie viel Sie mit den Damen telefonieren, da geht ja schon ein Vermögen drauf. Und die eine oder andere werden Sie
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