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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
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Wohnzimmer, an das sich zur Linken eine nicht sehr große, offene Küche anschloss, war geschmackvoll eingerichtet und die Accessoires verrieten unverkennbar Evas weibliche Handschrift. Kurt hätte nie und nimmer alte Puppen mit Tonköpfen und weißen Schürzen in die Sofaecken gesetzt.
    Er lauschte wieder angestrengt in die Stille und setzte einen weiteren Sinn ein. Intensiv sog er die Luft durch die Nasenflügel, aber auch das brachte ihn nicht weiter. Nicht einmal den Restduft von Frühstückskaffee nahm er wahr.
    Konnte es so etwas in einem bewohnten Haus überhaupt geben? Plötzlich befiel ihn eine leichte Beklemmung.
    »Kurt?«
    Michaelis hielt den Atem an, wie immer, wenn er hochkonzentriert war. Langsam wanderte sein Blick zu den anderen beiden Türen, von der eine zum Bad führen musste, was der kleine pinkelnde Junge aus Messing verriet.
    Und die andere?
    Das musste die Schlafzimmertür sein, er klopfte vorsichtig mit den Fingerknöcheln gegen das Holz. Als wieder nichts passierte, probierte er es noch einmal, etwas kräftiger als zuvor, bis die Tür endlich aufschwang. Sie quietschte, wenn auch nicht so laut, wie die Eingangstür, und die leichte Beklemmung wurde von einem Stechen in der Brust abgelöst, das mit gesteigertem Puls plötzlich Besitz von ihm ergriff.
    In dem Raum war es relativ dunkel. Die lichtdichten Rollos ließen kaum einen Sonnenstrahl herein und der schummrige Schein aus dem Wohnzimmer reichte lediglich aus, um die Umrisse eines Schranks und des Doppelbetts erkennen zu können. Seine Finger strichen über die kalte und leicht feuchte Wand, bis sie nach unendlichen Sekunden einen Lichtschalter ertasteten.
    Als würden sich zwei riesige Hände um seinen Hals schließen, spürte er plötzlich, wie ihm die Luft wegblieb. »Jesus«, entfuhr es ihm und er schloss unwillkürlich die Augen, um nicht sehen zu müssen, was er doch sah. »Jesus!«
    Kurt lag auf dem Rücken im Bett, neben ihm Eva. Beide trugen ihre Tageskleidung und beide bewegten sich nicht. Nicht einmal Kurts Brustkorb hob und senkte sich. Als Michaelis an das Fuß ende des Bettes trat, erkannte er im Licht der Deckenlampe die Ursache für ihre Starre.
    Kurt und Eva hatten einen dunkelroten, fast schwarzen Punkt auf der Stirn.

2
    »Das hat mir gerade noch gefehlt.« Dr. Bremer stand an einen riesigen Baum gelehnt und wartete auf seinen Einsatz. Er sah ziemlich genervt aus.
    »Was hat Ihnen gerade noch gefehlt? Sie waren doch hoffentlich schon wach?« Manzetti reichte Bremer die Hand. »Es ist bereits neun Uhr dreißig, und das dürfte auch für ein Wochenende keine unchristliche Zeit mehr sein.«
    »Da haben Sie natürlich Recht. Aber für solche Dinge hier«, Bremer zeigte mit der rechten Hand auf die Blockhütte, »ist es immer die falsche Zeit.«
    Manzetti sah Bremer ganz genau an und versuchte dann, dessen Geruchsnote zu bestimmen. Rasierwasser war das nicht, was vom Gerichtsmediziner herüberwehte. »Bremer, sind Sie gestern irgendwo versackt?«
    Der Arzt drehte seinen Kopf weg und hielt dem Hauptkommissar ungelenk ein Bonbon hin, das er zuvor aus der Seitentasche seiner braunen Kordjacke geangelt hatte. »Wieso?«
    Als Manzetti das Bonbon auswickelte, strömte ihm ein schwerer Eukalyptusgeruch entgegen. Augenblicklich war ihm alles klar, und ein Schmunzeln schob sich in sein Gesicht. »Wie viel?«, fragte er trocken.
    »Was, wie viel?«
    »Sie haben eine ganze Batterie Eukalyptusbonbons in der Jackentasche. Also, wie viel haben Sie gestern getrunken?«
    »Manzetti«, presste Bremer gelangweilt hervor und sah den Hauptkommissar aus kleinen Augen an. »Was wären Sie nur ohne Ihre berühmt-berüchtigte Spürnase?«
    Während Manzetti dem Gerichtsmediziner ins Blockhaus folgte, schwieg er. Er wollte nicht weiter auf diese Facette in Bremers Persönlichkeit eingehen, auf die er sowieso keinen Einfluss hatte.
    »Kann mir schon jemand etwas sagen?« Seine erste Frage richtete Manzetti an die junge Sonja Brinkmann, die bereits mit dem Tatortdienst eingetroffen sein musste.
    »Ein Ehepaar aus Berlin. Beide fünfundsechzig Jahre alt und beide mit einer Verletzung am Kopf, die jeweils durch einen Schuss direkt in die Stirn verursacht wurde.«
    Manzetti sah aufs Bett.
    Die Situation wirkte grotesk friedlich. Keine Kampfspuren und auch kein Hinweis auf das Wirken einer dritten Person. Der Mann, der nach den Papieren, die man im Wohnzimmer gefunden hatte, Kurt Becher hieß, hielt noch immer die Pistole in der rechten
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