Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock
Autoren: Richard Auer
Vom Netzwerk:
Gedanken darüber gemacht, dass er allmählich
alt und vielleicht auch ein bisschen verwirrt wird.«
    »Inwiefern verwirrt?«, hakte Hecht nach.
    »Er hat sein Auto hier oben im Wald nie abgesperrt, das hielt er für
unnötig. Aber neulich hat er mir etwas Sonderbares erzählt. Er hatte den
Verdacht, jemand habe in seinem Auto herumgeschnüffelt, während er auf dem
Hochstand saß.«
    »Wie kam er darauf?«, fragte Morgenstern.
    »Nun, ich glaube nicht, dass da was dran ist. Aber er dachte, dass
ihm ein Päckchen Jagdmunition aus dem Wagen gestohlen worden sei. Er war sich
sicher, dass es zuvor noch auf der Mittelkonsole lag. Er hat mir erzählt, er
hätte sich nur ein paar Patronen daraus genommen und in die Tasche gesteckt,
den Rest habe er im Wagen gelassen. Und als er zurückkam, war die Schachtel
weg.«
    »Wann soll das gewesen sein?«, fragte Morgenstern.
    »Ungefähr vor vier Wochen. Ich habe ihm das nicht geglaubt, sondern
mir eher Sorgen gemacht, dass er allmählich schusselig wird. Jedenfalls hat er
seither sein Auto im Wald immer abgesperrt.«
    »Wo steht denn der Wagen?«, fragte Morgenstern. »Wir haben ihn noch
nicht gesehen.«
    »Mit Sicherheit da hinten im Wald, ein bisschen abseits neben einer
Fichtenschonung, damit das Wild nicht irritiert wird.«
    »Hatte Ihr Vater Feinde?«, fragte Hecht.
    »Feinde? Das ist ein großes Wort, Herr Kommissar. Mein Vater war
sicherlich manchmal ein knorriger Mann. Sehr selbstbewusst. Er hat aus eigener
Kraft ein Möbelhaus aufgebaut, das ich inzwischen übernommen habe. Möbel
Schreiber in Ingolstadt – das Wohnparadies für die ganze Familie. Riesenauswahl
auf zweitausend Quadratmetern. Kennen Sie unser Unternehmen denn nicht?«
    Schreiber hörte sich an wie sein eigener Radiowerbespot, dachte
Morgenstern und fügte schnell hinzu: »Klar kennen wir das. Ihre Prospekte
liegen doch immer in der Zeitung. Meine Frau war sogar schon mal drüben bei
Ihnen in Ingolstadt, wenn ich mich recht erinnere. Sie hat einen Kleiderschrank
fürs Kinderzimmer gesucht.«
    »Und? Sie hat doch bestimmt etwas Passendes gefunden?«, fragte
Schreiber.
    »Ähm, ich glaube nicht«, gestand Morgenstern kleinlaut. »War ihr ein
bisschen zu teuer. Sie ist dann nach Eching zu Ikea gefahren …«
    »Seit wann führen Sie denn das Geschäft schon?«, fragte Hecht.
    »Seit fünfzehn Jahren. Kurz nach seinem fünfundsechzigsten Geburtstag
hat mir mein Vater das Geschäft überschrieben.«
    »Lebt Ihre Mutter noch?«, fragte Hecht.
    Schreiber schüttelte den Kopf. »Sie ist vor drei Jahren gestorben.
Seitdem versorgt sich mein Vater hier in Eichstätt allein. Er hat eine
Haushaltshilfe und geht häufig in eine Wirtschaft zum Essen. Sie müssen wissen,
dass er trotz des Geschäfts in Ingolstadt immer in Eichstätt gewohnt hat. Im
Gegensatz zu mir. Ich bin schon sehr früh nach Ingolstadt gezogen. Meine
Wohnung ist ins Möbelhaus integriert. Es hat nichts geschadet, ein bisschen
Abstand zu meinem Vater zu halten.« Sie gingen weiter am Waldrand entlang.
Schreiber hing seinen Gedanken nach.
    Hecht hakte schließlich nach: »Wer könnte Ihren Vater so hassen,
dass er ihn mit einem Gewehr erschießt? Wer weiß überhaupt, dass Ihr Vater hier
oben jagt?«
    »Das wissen viele, er hat das Revier seit vierzig Jahren. Alle
anderen Jäger wissen das natürlich. Die Förster vom Staatswald. Und viele,
viele andere.«
    »Sind Sie selbst auch Jäger?«, wollte Morgenstern wissen.
    »Als junger Bursche habe ich den Jagdschein gemacht. Das grüne
Abitur.« Walter Schreiber lachte bitter auf. »Eine Wahnsinnsprüfung.« Dann fuhr
er fort. »Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich in seine Fußstapfen trete.
Er hat mich schon als kleinen Buben zum Jägerstammtisch mitgenommen. Er wollte,
dass ich ganz genauso werde wie er. Anfangs bin ich noch mit ihm auf die Jagd
gegangen, aber ich konnte mich nie richtig dafür begeistern, und so habe ich es
bald sein lassen. Mein Vater war enttäuscht von mir. Wie so oft.« Er sah
Morgenstern prüfend an. »Aber was quatsche ich da eigentlich? Das geht Sie
alles überhaupt nichts an.«
    »Aber Sie könnten jederzeit auf die Jagd gehen?«, beharrte Hecht.
    »Theoretisch ja, aber ich tue es nicht. Und das wird sich auch nicht
ändern. Jetzt erst recht nicht. Mich bringt keiner mehr auf einen Hochsitz.«
    »Nehmen wir einmal an, Ihr Vater ist von jemandem gezielt erschossen
worden«, sagte Morgenstern. »Dann muss dieser Jemand ein sehr guter Schütze
sein.« Er dachte kurz an seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher