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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock
Autoren: Richard Auer
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eines Tages gewinnen könnte.
    Die Tür wurde von innen aufgerissen. »Bisschen dalli, meine
Herren!«, schnarrte Schneidt. »Kommen Sie rein, oder sollen wir erst noch auf
dem Gang Kaffeeklatsch halten?«
    Morgenstern und Hecht zogen die Köpfe ein. So viel schlechte Laune
hatten sie nicht erwartet. Der Chef dirigierte sie mit einer knappen
Handbewegung auf die speckige Couch, die zur Not als Schlafstätte genutzt
werden konnte und eindeutig das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hatte.
Tief versanken die Kommissare in den durchgesessenen Polstern. Es stand für
Morgenstern außer Zweifel, dass der Chef die Couch absichtlich in seinem Büro
ließ: Wer hier saß, befand sich automatisch in einer unterwürfigen Position.
Schneidt machte denn auch keine Anstalten, sich seinerseits zu setzen. Er ging vor
seinem Schreibtisch auf und ab wie ein General, der seine Befehle erteilt.
    »Vor etwa zwanzig Minuten ist in der Nähe von Eichstätt ein Toter
gefunden worden. Die Eichstätter Polizeiinspektion ist bereits vor Ort. Nach
dem, was wir bisher wissen, handelt es sich um einen Jäger, der auf einem
Hochsitz von einer Kugel getroffen wurde. Sie beide fahren sofort rüber und
kümmern sich um diesen Fall. Die Spurensicherung weiß bereits Bescheid.«
    »Ich habe aber noch diesen missglückten Raubüberfall auf den Geldboten
vom Manchinger Supermarkt auf dem Schreibtisch«, wehrte sich Hecht. »Mir wird
das ein bisschen viel.«
    »Papperlapapp, Hecht. Sie wissen selbst, dass wir momentan dünn
besetzt sind. Soll ich Morgenstern vielleicht alleine losschicken?«
    Hecht zuckte gleichgültig mit den Schultern und erhielt von
Morgenstern umgehend einen Ellbogenstoß in die Rippen.
    »Und wo genau ist das passiert?«, fragte Morgenstern.
    Nun war Schneidt endgültig zum General mutiert. Er trat an eine
Landkarte, die fast die halbe Wand seines Büros ausfüllte, und deutete mit
einem Bleistift auf die Fundstelle. Ächzend wuchteten sich die beiden
Kommissare aus dem Sofa.
    »Wie mir die Kollegen aus Eichstätt sagten, befindet sich der
Hochsitz am Waldrand, direkt an dieser Ecke. Sie sehen hier auf der Hochfläche
ein großes freies Gelände. Da befindet sich der Segelflugplatz.« Schneidt
tippte auf ein lang gestrecktes Gebäude. »Hier hinten beginnt der Wald, der
sich dann über viele Kilometer erstreckt. Das ist der sogenannte Saupark.«
    Lesen kann ich selber, dachte Morgenstern, der das in großen Lettern
geschriebene »Saupark« bereits entziffert hatte. Aber es war sicher besser, den
General jetzt nicht zu unterbrechen.
    »Sie fahren umgehend raus und kümmern sich um diese Sache. Wir haben
noch nicht den Ansatz einer Ahnung, was da los war. Vielleicht ein Unfall,
vielleicht Selbstmord, wer weiß?«
    »Aye, aye, Sir!«, sagte Morgenstern und salutierte.
    »Geht’s Ihnen noch gut, Morgenstern?«, sagte Schneidt scharf. »Raus
jetzt. Und noch etwas: keine Eigenmächtigkeiten. Ich will über alles auf dem
Laufenden gehalten werden.«
    »Logo«, versprach Morgenstern und trank in einem Zug seine
Kaffeetasse leer.
    Sie hätten sich Schneidts Landkarte wohl besser einprägen sollen,
denn es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie die Unglücksstelle fünfundzwanzig
Kilometer nördlich von Ingolstadt gefunden hatten. Obwohl Morgenstern jetzt
schon ein dreiviertel Jahr in Eichstätt lebte, konnte von detaillierten
Ortskenntnissen keine Rede sein. Und Hecht als Schrobenhausener kannte sich im Altmühltal
erst recht nicht aus.
    Als sie endlich ankamen, standen rund um den Hochsitz bereits ein
Rettungswagen des Roten Kreuzes und zwei Streifenwagen der Eichstätter Polizei.
Vor der hölzernen Leiter des Hochsitzes bildeten Sanitäter, Notarzt und Polizisten
einen kleinen Kreis. Morgenstern und Hecht stellten sich kurz als
Kriminalbeamte vor, dann näherten sie sich mit einem mulmigen Gefühl der Mitte
des Kreises. Sie konnten sich denken, was sie erwartete.
    Der Tote lag auf dem Rücken im Gras. Er trug einen grünen
Lodenmantel, der von dunklem, getrocknetem Blut durchtränkt war. Etwas abseits
lag ein Gewehr mit aufwendig geschnitztem hölzernem Griff und einem schwarz
schimmernden Zielfernrohr. Die Augen des Jägers waren weit aufgerissen, das
Gesicht verzerrt. Morgenstern hatte einen Mann mittleren Alters erwartet – doch
der Getötete war hochbetagt.
    Morgenstern wandte sich an die uniformierten Kollegen der
Landpolizei. »Kennt jemand von Ihnen den Toten?«
    Ein grauhaariger Beamter mit Brille und deutlichem
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