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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock
Autoren: Richard Auer
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sich der Junge betont lässig. Er hob das
schwere Gewehr, legte an, drückte ab, und eine Rose fiel.
    Morgenstern atmete tief durch. »Donnerwetter«, sagte er gepresst.
»Da hast du aber Glück gehabt.«
    Fiona sah ihn scheel von der Seite an. »Und jetzt darf Bastian mal«,
sagte sie.
    »Der Bastian ist aber wirklich noch zu klein zum Schießen«,
protestierte Morgenstern.
    »Das geht schon«, widersprach der Budenbesitzer und lud bereits das
Gewehr durch. »Komm, Kleiner. Ich zeig dir, wie es geht.«
    Bastian legte das Gewehr auf den Tresen, spähte durchs Visier. Ein
leiser Knall, der eher ein knappes, scharfes Zischen war. Zu Morgensterns
unendlicher Erleichterung ging der Schuss daneben. Das hätte noch gefehlt, dass
ihn auch noch sein Jüngster deklassierte. Doch schon wurde das Gewehr zum
zweiten Mal durchgeladen. Wieder knallte es, und dieses Mal hatte Bastian
getroffen.
    Triumphierend überreichten die Kinder ihrer Mutter die beiden Rosen.
Morgenstern lächelte säuerlich. »Jetzt wird es aber Zeit, dass wir
weiterkommen. Ich glaube, ich brauche jetzt ein Bier.«
    »Freu dich doch wenigstens ein bisschen«, sagte Fiona. »Als so
schlechten Verlierer kenne ich dich gar nicht.« Sie zögerte kurz und sah ihn
skeptisch von der Seite an. »Mike, ich glaube, ich weiß, was mit dir los ist:
Du brauchst eine Brille!«
    Morgenstern wurde rot. »Ich – eine Brille? Nie im Leben!«
    Fiona hatte an einen wunden Punkt gerührt. Morgenstern fühlte sich
als Naturbursche, und in sein Selbstverständnis von kerliger Lässigkeit passte
eine Brille nicht. Männer, so wie er sie sich vorstellte, brauchten keine
Brille. Charles Bronson, Mick Jagger, James Bond mit Brille? Lächerlich.
    Doch Fiona blieb hart. »Ich schicke dich nächste Woche zum Optiker.
Der kann dir ganz genau sagen, wie gut oder schlecht du siehst.«
    Morgenstern knurrte etwas Unverständliches und hoffte insgeheim,
Fiona würde die Sache bis zur nächsten Woche vergessen haben. Das wäre
allerdings völlig untypisch für sie.
    Zwei Stunden später war es auf dem Eichstätter Volksfestplatz im
Osten der Stadt dämmrig geworden. Aus den Fahrgeschäften plärrten Schlager,
tausende bunter Lichter blinkten auf. Nach einer Maß Bier und einem halben
Grillhähnchen war Morgenstern wieder im Reinen mit sich. Die Blasmusik im
Bierzelt hatte ihn zusätzlich versöhnlich gestimmt.
    Jetzt war im Festzelt musikalisch Pause. Die Jugendkapelle, die
bisher gespielt hatte, räumte das Podium für die »Dollnsteiner Blaskapelle«,
die für das Abendprogramm zuständig war.
    Familie Morgenstern schlenderte über das Gelände, das mit seinen
zwei Budenstraßen mehr als übersichtlich war. An der Ostseite des Geländes stand
das einzige Bierzelt; hier wurde das Festbier der Eichstätter Hofmühl-Brauerei
ausgeschenkt. Den westlichen Abschluss bildete ein als Almhütte getarntes
zerlegbares Gebäude, das als »Weinhäusl« deklariert war. Neben dem Weinhäusl
drehte sich mit gleichmäßigem Blinken ein Riesenrad, das weithin sichtbare
Wahrzeichen des Volksfestes.
    »Schau mal, Papa, jetzt ist am Schießstand richtig was los«, sagte
Marius aufgeregt.
    Tatsächlich standen in ganzen Trauben Jugendliche um die
»Hubertus-Halle«, an der es vorhin noch so beschaulich zugegangen war.
    »Ich will noch zuschauen«, sagte Bastian, der ebenso wie Marius
durch seinen unerwarteten Schießerfolg offenbar auf den Geschmack gekommen war.
    »Wenn’s sein muss«, brummte Morgenstern, und schon drängten sich die
Buben nach vorne, um alles genau sehen zu können. Der Standbetreiber erkannte
sie wieder und nickte ihnen wohlwollend zu.
    »Schaut ruhig mal zu. Da könnt ihr noch was lernen«, sagte er.
    Ein Mädchen mit langen braunen Haaren, vielleicht achtzehn Jahre
alt, legte hochkonzentriert an und schoss. Piff, nachladen, zielen, piff,
nachladen, zielen. Piff, piff, piff. Zehnmal zerplatzten weiße Plastikröllchen,
die auf dünne Nägel gesteckt waren. Die Clique des Mädchens johlte. Sie gab das
Gewehr zurück und nahm als Preis einen kleinen grauen Plüschelefanten in
Empfang. Der Schießbudenbetreiber flüsterte ihr dabei etwas zu und deutete mit
süß-säuerlichem Blick auf ein kleines Schild, das in der rechten Ecke des
Wagens hing.
    Morgenstern entzifferte darauf, dass das Schießbudenpersonal das
Recht hatte, bestimmte Gäste nur einmal am Tag für eine Schießserie zuzulassen.
Doch auch die anderen Mitglieder der Clique, die anschließend ihr Glück
versuchten, waren zielsicher,
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