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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock
Autoren: Richard Auer
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Bauchansatz
nickte. »Ja, ich kenne ihn. Das ist der Schreiber Hias. Matthias Schreiber aus
Eichstätt. Seiner Familie gehört ein Möbelhaus in Ingolstadt. Möbel Schreiber.
Der Schreiber ist, ich meine, war hier Jagdpächter.«
    »Wer hat ihn gefunden?«, fragte Hecht.
    »Zwei Frauen, um kurz nach acht Uhr. Sie waren beim Nordic Walking
und kommen fast jeden Morgen hier vorbei. Sie haben mit dem Handy sofort einen
Notruf abgesetzt, aber da war nichts mehr zu machen.«
    Morgenstern schaute den Rettungssanitäter, der direkt neben ihm
stand, fragend an. »Was sagen Sie dazu?«
    »Da gab es für uns nichts mehr zu tun.«
    »Haben Sie den Mann bewegt?«
    »Ein wenig schon. Aber im Wesentlichen liegt er noch so da, wie wir
ihn gefunden haben. Auf dem Rücken.«
    Morgenstern beugte sich zu dem Toten hinab. Der Mantel hatte in Höhe
des Brustbeins ein kaum erkennbares Loch.
    »Absolut tödlich«, sagte Morgenstern.
    Hecht nickte. »Sieht so aus. Ich würde sagen, er hat den Schuss oben
auf dem Hochsitz abbekommen und ist dann kopfüber mit einer Drehung hinabgestürzt
mitsamt seinem Gewehr.« Er wandte den Blick nach oben. »Schau mal, da hängt
noch sein Fernglas.«
    Behände kletterte er die Leiter hinauf. »Hier ist auch sein
Jagdrucksack.«
    »Bring ihn runter«, sagte Morgenstern. »Kennen Sie sich mit der
Jägerei näher aus?«, fragte er den übergewichtigen Landpolizisten, während
Hecht die Leiter wieder herunterkam.
    »Ein bisschen schon. Ein früherer Chef von mir war Jäger.«
    »Auf was schießt man denn jetzt, Anfang September?«
    »Wahrscheinlich auf einen Rehbock«, antwortete der Streifenbeamte.
»Oder der Schreiber hoffte auf eine Wildsau. Wildschweine gibt es bei uns
haufenweise, sie sind aber schwer zu kriegen, weil sie scheu und schlau sind.
Er kann es aber auch auf einen Fuchs abgesehen haben. Die gibt’s hier auch.«
    »Aha«, meinte Morgenstern. »Und womit schießt man auf dieses
Getier?«
    »Den Fuchs erwischt man am besten mit einer Schrotpatrone. Auf die
Sau und das Reh schießt du mit der Kugel. Ganz normale Gewehrkugel.«
    »Da braucht der Jäger aber mehrere Gewehre«, überlegte Morgenstern.
    »Nein, eins reicht. Mit zwei Läufen. Einer für die Schrotpatronen,
der andere für die Kugel.«
    »Hat sich schon jemand die Waffe angesehen?« Morgenstern machte
einen Schritt auf das Gewehr des Jägers zu, das seitlich im Gras lag.
    »Liegen lassen«, befahl ihm Hecht barsch. Er vermutete wohl zu
Recht, Morgenstern könnte in einem unbedachten Impuls die Waffe in die Hand
nehmen und Spuren verwischen.
    Morgenstern steckte die Hände sicherheitshalber in die Hosentasche
und besah sich das Gewehr aus sicherer Entfernung. »Die Knarre hat sogar drei
Läufe.«
    »Dann ist es ein Drilling«, erklärte der Polizeibeamte und näherte
sich nun ebenfalls. »Eindeutig, ein Drilling. Eine echte Mehrzweckwaffe«, sagte
er.
    Inzwischen war ein Kleinbus mit zwei Kollegen der Spurensicherung
eingetroffen. Morgenstern und Hecht erklärten den beiden kurz das Wenige, das
sie wussten. Bedächtig nahm einer der Spurensicherer, ein fast kahlköpfiger,
etwa sechzigjähriger Mann mit auffälliger Hakennase, die Waffe in die
behandschuhte Hand, betrachtete kurz die Mechanik und knickte dann den Lauf ab.
    »Alle drei Läufe sind noch geladen«, sagte er schließlich, hielt das
Gewehr an seine markante Nase und schnupperte wie ein Hund, der eine Fährte
aufnimmt. »Mit dieser Waffe ist in den letzten Stunden nicht geschossen
worden.«
    »Schade«, sagte Morgenstern.
    »Wieso schade?«, fragte der Spurensicherer zurück.
    »Ich hatte irgendwie gehofft, der alte Herr hätte seinem Leben
selbst ein Ende bereitet. Weil er unheilbar Krebs hatte oder Depressionen oder so
etwas. Das gibt’s doch immer wieder. Ein Schuss, rasches schmerzloses Ende, wer
wüsste das besser als ein Jäger?«
    »Nein. So einfach kommen wir in diesem Fall nicht weg. Dieser Mann
ist erschossen worden«, antwortete der Spurenexperte.
    Alle Umstehenden schwiegen betroffen. Der friedliche, sonnige Morgen
– er war entweiht durch einen Mord. Wie zum Hohn zwitscherten im Wald die
Vögel. Über eine Minute lang war es das einzige Geräusch, das zu hören war.
    Hecht fand als Erster die Sprache wieder: »Wer um alles in der Welt
schießt so einen Opa von seinem Hochsitz herunter?«, fragte er in die Runde und
deutete auf den Jägerstand, auf dessen Kanzel sich bereits der zweite
Spurensicherer zu schaffen machte.
    »Fangen wir doch bitte ganz von vorne
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