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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt
Autoren: Karin Slaughter
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Danke.«
    » Wollen Sie sich ausruhen?«
    » Ich will das abschließen, und dann will ich nie wieder darüber sprechen.«
    Das klang genau wie etwas, das auch Faith sagen würde. Will widersprach ihr lieber nicht. Er setzte sich auf den Stuhl und wartete, bis sie fortfuhr.
    Eine ganze Minute lag Evelyn einfach nur da, und ihre Brust hob und senkte sich beim Atmen.
    Schließlich sagte sie: » In den ersten drei Jahren nach seiner Geburt sagte ich Bill und den Kindern ungefähr einmal im Monat, ich hätte im Büro Papierkram zu erledigen. Normalerweise an einem Sonntag, wenn sie in der Kirche waren, weil es dann einfacher war.« Sie hustete. Ihre Stimme wurde heiser. » Aber eigentlich ging ich nur die Straße hoch bis zum Park, oder wenn es regnete, setzte ich mich ins Auto und weinte und weinte einfach. Nicht einmal Mandy wusste etwas davon. Normalerweise erzähle ich ihr alles, aber das nicht.« Sie schaute Will an. » Sie wissen ja nicht, wie schwer sie es mit Kenny hatte. Sie konnte ihm keine Kinder schenken, und er wollte eine Familie. Sein eigen Fleisch und Blut. Er ließ nicht locker. Ihr zu sagen, wie sehr ich mich nach Caleb sehnte, wäre grausam gewesen.«
    Will fühlte sich unwohl, so etwas Persönliches über seine Chefin zu hören. Er versuchte, Evelyn zum Tag ihrer Entführung zurückzubringen. » Caleb lockte Sie mit einem Trick ins Haus zurück. War das der Grund, warum Sie Emma nicht holten und flohen?«
    Sie schwieg lange genug, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie durchaus merkte, wie dringend er das Thema wechseln wollte. » Jemanden, der sich nicht täuschen lassen will, kann man nicht täuschen.«
    Will war sich da nicht so sicher, aber er nickte trotzdem.
    » Ich lief in die Küche. Da war Benny Choo. Natürlich war es Benny Choo. Das reinste Gemetzel. Er war in seinem Element. Wir kämpften miteinander, und er gewann, weil er Hilfe hatte. Er wollte das Geld. Jeder wollte das Geld. Überall standen zornige junge Männer, die Geld verlangten.«
    » Bis auf Caleb«, vermutete Will.
    » Bis auf Caleb«, bestätigte sie. » Er saß einfach auf der Couch, aß Sandwich-Fleisch direkt aus der Verpackung und sah ihnen zu, wie sie herumrannten und das Haus verwüsteten. Ich glaube, er genoss es. Ich glaube, das war der größte Spaß, den er je in seinem Leben hatte– mich so dasitzen zu sehen, voller Todesangst, während seine Freunde herumrannten wie kopflose Hühner und nach etwas suchten, das gar nicht da war.«
    » Was ist mit dem A auf der Unterseite des Stuhls?«
    Sie lachte etwas stockend. » Das war ein Pfeil. Ich nahm an, dass die Jungs von der Spurensuche ihn finden würden. Ich wollte sie wissen lassen, dass der Hauptschuldige auf der Couch gesessen hatte. Caleb musste dort Haare, Fasern, Fingerabdrücke hinterlassen haben.«
    Will fragte sich, ob Ahbidi Mittals Team diese Botschaft verstanden hätte. Will hatte es auf jeden Fall nicht kapiert.
    Sie fragte: » Sagen Sie mal, haben die wirklich meinen Hinterhof aufgebuddelt?«
    Will begriff, dass sie Calebs Jungs meinte, nicht Mittals Team. » Haben Sie ihnen gesagt, das Geld ist dort versteckt?«
    Sie kicherte, wahrscheinlich stellte sie sich vor, wie die Jungs mit Schaufeln durch die Dunkelheit liefen. » Ich dachte mir, es klingt plausibel, weil es ja so oft in Filmen vorkommt.«
    Will gestand ihr nicht, dass er auch zu viele von diesen Filmen gesehen hatte.
    Abrupt änderte sich Evelyns Verhalten. Sie starrte wieder zur Decke. Die Fliesen waren braunfleckig. Nicht gerade ein schöner Anblick. Will kannte sich mit Verdrängungstechniken gut aus.
    Sie flüsterte: » Ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass ich meinen Sohn getötet habe.«
    » Er wollte Sie umbringen. Und Faith. Er hat unzählige andere umgebracht.«
    Will wusste, dass Caleb Espositos Tod von der Polizei untersucht wurde, nahm aber an, dass man die Ermittlung gegen Evelyn in wenigen Tagen einstellen würde, so wie es bei Faith gewesen war. » Es war Notwehr.«
    Sie atmete langsam aus. » Ich glaube, er wollte, dass ich mich zwischen den beiden entscheide. Zwischen ihm und Faith.«
    Will sagte nicht, dass er diese Überzeugung teilte.
    » Er konnte seinem Vater verzeihen. Hector hatte ein gutes Leben, aber er heiratete nie und bekam nie ein anderes Kind. Aber als Caleb sah, was ich hatte– wie ich mich angestrengt hatte, um mit Bill und den Kinder weiterleben zu können–, da ärgerte ihn das. Er hasste mich so sehr.« In ihren Augen glitzerten Tränen. » Ich weiß
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