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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
Autoren: Michael Connelly
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Thema, in der Praxis erprobt und wahr. Fünfzigtausend im Voraus, über das, was hinterher noch dazukommt, können wir später reden.«
    Ich nahm Block und Stift von der Drückbank und stand auf. Das brachte mich nicht weiter, zumindest nicht in die Richtung, in die ich wollte.
    »Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit, Mr Taylor. Wenn ich nicht nach draußen finde, feuere ich eine Leuchtrakete ab.«
    Als ich meinen ersten Schritt in Richtung Tür machte, gab der Hometrainer einen zweiten Glockenton von sich. Taylor sagte zu meinem Rücken:
    »Jetzt stellen Sie sich nicht so an, Bosch. Kommen Sie zurück und stellen Sie Ihre Fragen. Und ich behalte meine fünfzigtausend, wenn Sie sie nicht wollen.«
    Ich drehte mich zu ihm um, blieb aber stehen. Ich klappte den Block wieder auf.
    »Beginnen wir mit dem Geld«, sagte ich. »Wer in Ihrer Firma wusste darüber Bescheid? Ich meine, wer kannte die näheren Einzelheiten; wann es zu den Dreharbeiten gebracht werden sollte und wie es geliefert würde? Alles, woran Sie sich erinnern können. Ich fange hier bei Null an.«

2
    Angella Benton starb an ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag. Ihre zusammengekrümmte Leiche wurde auf den Terrakottafliesen im Eingangsbereich des Apartmenthauses in der Fountain Avenue gefunden, in dem sie wohnte. Ihr Schlüssel steckte im Schloss ihres Briefkastens. Im Briefkasten waren zwei Geburtstagskarten, die ihre Mutter und ihr Vater separat aus Columbus geschickt hatten. Wie sich herausstellte, waren sie nicht geschieden. Sie hatten ihrer einzigen Tochter nur beide persönlich zum Geburtstag gratulieren wollen.
    Benton war stranguliert worden. Vor oder nach ihrem Tod, höchstwahrscheinlich danach, war ihre Bluse aufgerissen und ihr BH nach oben gezogen worden, um ihre Brüste zu entblößen. Dann hatte ihr Mörder auf die Leiche masturbiert und eine kleine Menge Ejakulat hinterlassen, die später von der Spurensicherung für eine DNS-Analyse gesichert wurde. Ihre Handtasche wurde entwendet und nicht mehr gefunden.
    Als Todeszeitpunkt wurde der Zeitraum zwischen 23 Uhr und Mitternacht angegeben. Gefunden wurde die Leiche von einem anderen Hausbewohner, als dieser um 0.30 Uhr das Haus verließ, um seinen Hund auszuführen.
    An diesem Punkt kam ich ins Spiel. Ich war damals als Detective dritten Grades bei der Hollywood Division des Los Angeles Police Department. Ich hatte zwei Partner. Im Zuge eines Modellversuchs, bei dem Möglichkeiten zum schnelleren Abschluss von Ermittlungsverfahren erprobt werden sollten, arbeiteten wir damals zu dritt statt zu zweit. Kizmin Rider und Jerry Edgar und ich wurden um ein Uhr nachts über Pieper verständigt und bekamen den Fall zugeteilt. Wir trafen uns in der Hollywood Division, tankten zwei Crown Vies voll und fuhren zum Tatort. Wir sahen Angella Bentons Leiche zum ersten Mal ungefähr zwei oder drei Stunden nach ihrer Ermordung.
    Sie lag seitlich auf den braunen Fliesen, die die Farbe von getrocknetem Blut hatten. Ihre Augen waren offen und vorstehend und entstellten das Gesicht, das einmal schön gewesen war, wie man sehen konnte. Die Hornhäute waren blutunterlaufen. Mir fiel auf, dass ihr entblößter Brustkorb fast flach war. Er sah beinahe knabenhaft aus, und ich dachte, das könnte ihr in einer Stadt, in der körperliche Eigenschaften die inneren Werte oft zu überwiegen schienen, vielleicht peinlich gewesen sein. Es verlieh dem Zerreißen ihrer Bluse und ihres BHs noch aggressivere Züge, so, als ob der Mörder, nicht genug, dass er ihr das Leben genommen hatte, auch noch ihren intimsten wunden Punkt hätte bloßlegen müssen.
    Aber es waren ihre Hände, die mir am nachhaltigsten in Erinnerung blieben. Als ihr lebloser Körper auf den Fliesenboden gesunken war, waren sie irgendwie aufeinander zu liegen gekommen. Sie waren links von ihrem Körper über ihrem Kopf nach oben gerichtet, als streckte sie sie jemandem flehentlich, wie um etwas bettelnd, entgegen. Sie sahen aus wie von einem Renaissancegemälde, wie die Hände von Verdammten, die, um Vergebung bittend, die Arme gen Himmel reckten. Ich habe in nahezu tausend Mordfällen ermittelt, aber nie hat mich die Haltung eines zu Boden gesunkenen Körpers so berührt.
    Vielleicht sah ich zu viel in den Unwägbarkeiten ihres Zu-Boden-Fallens. Aber jedes Ermittlungsverfahren ist eine Schlacht in einem nie endenden Krieg. Glauben Sie mir, man braucht jedes Mal etwas, das man mitnehmen kann, wenn man in den Kampf zieht. Etwas, an dem man sich
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