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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
Autoren: Michael Connelly
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aber seitlich auf dem kreisförmigen Vorplatz stand ein Wagen, bei dem es sich nicht um das Auto handelte, in dem mich Eleanor mitgenommen hatte. Es war ein zirka fünf Jahre alter Toyota mit reichlich Kilometern auf dem Tacho. Das sah ich sofort. Mit so etwas kenne ich mich aus.
    Ich parkte den Leihwagen am Scheitel des Kreises und stieg langsam aus. Ich weiß auch nicht, vielleicht dachte ich, wenn ich mir genug Zeit ließe, würde jemand die Tür öffnen und mich nach drinnen bitten und alle meine Bedenken würden sich in Luft auflösen.
    Aber das war nicht der Fall. Ich erreichte die Tür und musste auf die Klingel drücken und wusste, ich würde mir den Zutritt wahrscheinlich erzwingen müssen. Im übertragenen Sinn. Ich hörte im Innern einen Glockenton und wartete. Bevor ich noch einmal läuten musste, wurde die Tür von einer Frau geöffnet, von einer Mexikanerin, die aussah wie über sechzig. Sie war klein und hatte ein freundliches, aber verhärmtes Gesicht. Sie sah aus, als täte ich ihr wegen der Schmauchspuren in meinem Gesicht Leid. Sie trug ganz normale Kleidung, aber ich nahm an, sie war die Haushaltshilfe. Eleanor mit einer Haushaltshilfe. Ich hatte Mühe, mir das vorzustellen.
    »Ist Eleanor Wish hier?«
    »Wen darf ich bitte melden?«
    Ihr Englisch war gut, und sie hatte nur einen ganz leichten Akzent.
    »Sagen Sie ihr, es ist ihr Mann.«
    Ich sah, wie in ihren Augen ein Alarm losging, und merkte, dass das dumm von mir gewesen war.
    »Ihr früherer Mann«, fügte ich rasch hinzu. »Sagen Sie ihr einfach, es ist Harry.«
    »Wenn Sie sich bitte einen Moment gedulden würden.«
    Ich nickte, und sie machte die Tür zu. Ich hörte, wie sie sie abschloss. Während ich wartete, spürte ich, wie sich die Hitze durch meine Kleider arbeitete und meine Kopfhaut durchdrang. Alles um mich herum erstrahlte in hellem Sonnenlicht. Es dauerte fast fünf Minuten, bis die Tür wieder aufging und Eleanor vor mir stand.
    »Harry, alles okay mit dir?«
    »Ja, mir geht's gut.«
    »Ich habe alles im Fernsehen verfolgt. Auf CNN.«
    Dazu nickte ich nur.
    »Wirklich schrecklich, das mit Marty Gessler.«
    »Ja.«
    Und dann kam ziemlich lange nichts, bevor sie endlich sagte: »Was willst du hier, Harry?«
    »Ich weiß nicht. Ich wollte dich einfach sehen.«
    »Wie hast du hierher gefunden?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ich bin Detective. Zumindest war ich es.«
    »Du hättest mich vorher anrufen sollen.«
    »Ich weiß. Ich hätte eine ganze Menge Dinge tun sollen, habe sie aber nicht getan, Eleanor. Es tut mir Leid, ja? Alles. Lässt du mich jetzt rein, oder soll ich hier draußen in der Sonne zerschmelzen?«
    »Bevor du ins Haus kommst, muss ich dir sagen, dass ich mir das, was jetzt geschieht, anders vorgestellt habe.«
    Als sie zurücktrat und die Tür öffnete, spürte ich in meiner Brust ein starkes Ziehen nach unten. Sie hieß mich mit einer Handbewegung willkommen, und ich betrat eine Diele, von der drei Bogendurchgänge abgingen.
    »Was hast du dir anders vorgestellt?«, fragte ich.
    »Lass uns ins Wohnzimmer gehen«, sagte sie.
    Wir nahmen den mittleren Bogen und betraten ein großes Zimmer. Es war ordentlich aufgeräumt und schön möbliert. In einer Ecke stand ein Stutzflügel, der mir sofort auffiel. Eleanor spielte nicht Klavier, außer sie hatte damit angefangen, nachdem sie mich verlassen hatte.
    »Möchtest du was trinken, Harry?«
    »Ähm, ein Schluck Wasser wäre nicht schlecht. Ziemlich heiß da draußen.«
    »Das ist es meistens. Warte hier, ich bin gleich wieder zurück.«
    Ich nickte, und sie ließ mich allein. Ich sah mich um. Ich erkannte keins der Möbelstücke aus der Wohnung wieder, in der ich sie früher mal besucht hatte. Alles war anders, alles war neu. Die Rückwand des Zimmers bestand aus Glasschiebetüren, die auf einen mit Sichtblenden eingefassten Poolbereich hinausführten. Mir fiel auf, dass den Pool eine weiße Plastikabgrenzung umgab, wie sie Leute mit Kindern aus Sicherheitsgründen aufstellen.
    Plötzlich begann mir bezüglich Eleanors Heimlichkeiten ein Licht aufzugehen. Die ausweichenden Antworten, der Kofferraum, der nicht geöffnet werden konnte. Es gab Leute, die zusammengeklappte Buggys im Kofferraum transportierten. Leute mit Kindern.
    »Harry?«
    Ich drehte mich um. Eleanor war wieder da. Und neben ihr stand ein kleines Mädchen mit dunklen Haaren und Augen. Sie hielten sich an der Hand. Ich sah von Eleanor zu dem Mädchen und dann wieder zu ihr und zurück. Das Mädchen hatte
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