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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Autoren: Michael Connelly
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er etwas Böses abwehren. Ein entsetzter Ausdruck debiler Panik breitete sich über sein Gesicht aus. Er sah aus wie jemand, dessen Gehirnsynapsen Wackelkontakt hatten. Der Mann machte eine Kehrtwendung und hastete mit seinem Pappbecher Zigarettenkippen davon, nach unten zur Spring Street.
    Bosch sah ihm nach, bis er verschwunden war, und zog dann den Piepser vom Gürtel. Er erkannte die Nummer auf dem Anzeigefeld. Es war die Direktleitung von Lieutenant Harvey »Achtundneunzig« Pounds vom Hollywood Revier. Nachdem er den Rest seiner Zigarette im Sand der Tonne ausgedrückt hatte, ging er ins Gericht. Wo die Rolltreppe im ersten Stock endete, befanden sich mehrere Münzfernsprecher.
    »Harry, wie läuft’s im Gericht?« fragte Pounds.
    »Das Übliche. Rumsitzen und Warten. Die Jury ist komplett, die Anwälte hocken jetzt beim Richter und besprechen die Eröffnung des Prozesses. Belk meinte, ich müßte nicht dabei sein, also häng’ ich hier rum.«
    Er sah auf seine Uhr. Es war zehn vor zwölf.
    »Sie werden wohl bald Mittagspause machen«, fügte er hinzu.
    »Gut, ich brauche dich.«
    Bosch antwortete nicht. Pounds hatte versprochen, ihm keine Fälle zuzuteilen, bis der Prozeß vorbei war. Noch eine Woche oder höchstens zwei. Im Grunde hatte Pounds keine andere Wahl. Er wußte sehr gut, daß Bosch keine Mordermittlungen durchführen konnte, solange er vier Tage die Woche vor einem Bundesgericht erscheinen mußte.
    »Was ist los? Ich dachte, du hättest mich von der Einsatzliste genommen?«
    »Habe ich. Aber wir haben möglicherweise ein Problem – dich betreffend.«
    Bosch zögerte wieder. Bei Pounds mußte man sich vorsehen. Harry würde eher einem Spitzel trauen als Pounds. Hinter den erklärten Gründen steckte immer ein verborgenes Motiv. Pounds schien wieder eine seiner Lieblingsnummern abzuziehen: sich in vagen Andeutungen ergehen, um Bosch zu ködern.
    »Ein Problem?« fragte Bosch schließlich. Ein cleverer Zug, der ihn nicht festlegte.
    »Nun, ich nehme an, du hast heute die Zeitung gesehen – den Times- Artikel über deinen Fall.«
    »Ja, ich war gerade beim Durchlesen.«
    »Nun, wir haben einen neuen Brief bekommen.«
    »Einen Brief? Wovon redest du?«
    »Ich rede davon, daß jemand eine Nachricht am Eingangsschalter hinterlassen hat. Adressiert an dich. Und er ähnelt verdammt den Briefen, die du vom Puppenmacher bekommen hast, als die ganze Geschichte ablief.«
    Bosch spürte, wie Pounds es genoß, das Ganze in die Länge zu ziehen.
    »Wenn der Brief an mich adressiert war, wie kommt es, daß du ihn gelesen hast?«
    »Er kam nicht per Post. Kein Umschlag. Einfach ein Blatt, einmal gefaltet. Mit deinem Namen drauf. Jemand hat es am Schalter abgegeben. Dort hat es jemand gelesen, den Rest kannst du dir selbst ausmalen.«
    »Was steht drin?«
    »Es wird dir nicht gefallen, Harry; der Brief kommt zu einem peinlichen Zeitpunkt. Kurz gesagt, er erklärt, du hättest den falschen Typ erwischt. Daß der Puppenmacher noch frei herumläuft. Der Schreiber behauptet, daß er der wahre Puppenmacher sei und daß das Leichenzählen weitergeht. Er sagt, du hättest den Falschen erschossen.«
    »Quatsch. Die Briefe des Puppenmacher waren in der Zeitung und in Bremmers Buch über den Fall abgedruckt. Jeder kann den Stil imitieren und ein Briefchen schreiben. Du …«
    »Hältst du mich für total blöde, Bosch? Ich weiß, daß jeder das hätte schreiben können. Und der Schreiber auch. Also hat er zum Beweis eine kleine – nennen wir’s mal – Schatzkarte beigelegt. Wo wir die Leiche eines weiteren Opfers finden können.«
    Ein langes Schweigen trat ein, während Bosch nachdachte und Pounds wartete.
    »Und dann?« sagte Bosch endlich.
    »Und dann habe ich Edgar heute morgen zum angegebenen Ort geschickt. Erinnerst du dich an Bing’s auf der Western Avenue?«
    »Bing’s? Klar, südlich vom Boulevard. Eine Billardhalle. War das nicht eines der Gebäude, die während der Rassenkrawalle abbrannten?«
    »Genau«, sagte Pounds. »Total ausgebrannt. Sie haben den Laden geplündert und dann Feuer gelegt. Nur noch das Betonfundament und drei Wände sind übrig geblieben. Die Stadt hat eine Abrißverfügung erwirkt, aber der Besitzer hat noch nichts getan. Auf alle Fälle sagt der Brief, dort ist es. Sie sei unter der Bodenbetonplatte begraben. Edgar ist hin – mit ein paar Arbeitern von der Stadt, Preßlufthämmern, das ganze Arsenal …«
    Pounds zog es in die Länge. Was für ein blödes Arschloch, dachte Bosch.
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