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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Autoren: Michael Connelly
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Augen des Mannes mit Schrecken füllten, und schrie mit hoher, greller Stimme.
    »POLIZEI! KEINE BEWEGUNG!«
    Der Mann erstarrte, allerdings nur kurz, dann beugte er sich nach unten und griff mit dem rechten Arm nach dem Kissen. Er zögerte und streckte dann seinen Arm weiter aus. Bosch konnte es nicht glauben. Verdammt noch mal, was tat er? Die Zeit blieb stehen. Das Adrenalin, das ihm durch den Körper schoß, dehnte seine Wahrnehmung ins Zeitlupentempo. Bosch wußte, entweder griff der Mann zum Kissen, um sich damit zu bedecken, oder er …
    Die Hand fuhr unters Kissen.
    »TU’S NICHT!«
    Unter dem Kissen hatte die Hand etwas gefunden. Seine Augen hatte der Mann die ganze Zeit nicht von ihm abgewendet. Jetzt begriff Bosch. Nicht Schrecken erfüllte seinen Blick. Es war etwas anderes. Zorn? Haß? Die Hand kam wieder unter dem Kissen hervor.
    »NEIN!«
    Bosch feuerte einen Schuß, die Waffe schlug in seinen Händen nach oben. Der nackte Mann wurde hochgeschleudert und fiel nach hinten. Er krachte gegen die holzgetäfelte Wand, prallte ab und fiel, um sich schlagend und würgend, quer übers Bett. Bosch bewegte sich schnell weiter ins Zimmer vor und zum Bett.
    Die linke Hand des Mannes griff wieder nach dem Kissen. Bosch hob sein linkes Bein und drückte ihn mit dem Knie aufs Bett. Er nahm die Handschellen vom Gürtel und fesselte zuerst die ausgestreckte linke Hand, danach die rechte hinterm Rücken. Der nackte Mann würgte und stöhnte.
    »Ich kann nicht … Ich kann nicht«, versuchte der Mann unter Husten und Würgen von Blut herauszubringen.
    »Du kannst nicht tun, was ich dir gesagt habe«, sagte Bosch. »Ich hab’ dir gesagt, du sollst dich nicht bewegen.«
    Gib einfach den Löffel ab, dachte Bosch, ohne es auszusprechen. Das wäre für uns alle am besten.
    Er ging ums Bett herum und hob das Kissen auf. Ein paar Augenblicke starrte er auf das, was darunter gelegen hatte, dann ließ er es wieder fallen und schloß die Augen.
    »Gott verdammt!« schrie er dem nackten Mann in den Rücken. »Was hast du bloß getan? Ich hatte eine verdammte Kanone und du, du greifst … Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst dich nicht bewegen!«
    Bosch ging wieder ums Bett, um das Gesicht des Mannes zu sehen. Blut floß aus dem Mund auf das schmuddelige weiße Bettlaken. Seine Kugel hatte die Lunge getroffen. Der nackte Mann war jetzt ein sterbender Mann.
    »Du hättest nicht sterben müssen«, sagte Bosch zu ihm.
    Dann war der Mann tot.
    Bosch sah sich im Zimmer um. Es war niemand sonst da. Kein Ersatz für die Hure, die geflüchtet war. In der Hinsicht hatte er sich geirrt. Er ging ins Bad und öffnete das Schränkchen unter dem Waschbecken. Wie die Nutte erzählt hatte, befand sich Make-up darin. Bosch erkannte einige der Marken: Max Factor, L’Oreal, Cover Girl, Revlon. Es schien alles zusammenzupassen.
    Durch die Badezimmertür sah er zurück zur Leiche auf dem Bett. Der Geruch von Schießpulver hing noch in der Luft. Er steckte sich eine Zigarette an. Um ihn herum war es so still, daß er das Knistern des brennenden Tabaks hören konnte, wenn er den beruhigenden Rauch in die Lungen sog.
    Im Apartment gab es kein Telefon. Bosch saß auf einem Stuhl in der Kochnische und wartete. Er starrte quer durchs Zimmer auf die Leiche und bemerkte, daß er benommen war und daß sein Herz immer noch pochte. Er stellte auch fest, daß er nichts fühlte – weder Mitleid, noch Schuld, noch Trauer – angesichts des Mannes auf dem Bett. Rein gar nichts.
    Statt dessen versuchte er, sich auf das Geräusch der Sirene zu konzentrieren, die jetzt in der Ferne zu vernehmen war. Nach einer Weile nahm er wahr, daß es mehr als eine Sirene war. Es waren viele.

1
    In den Gängen des U. S.-District-Gerichts von Los Angeles in Downtown stehen keine Bänke. Keine Sitzgelegenheiten. Wer an der Wand herunterrutscht, um auf dem kühlen Marmorboden zu sitzen, wird von dem ersten Deputy Marshal, der vorbeikommt, wieder aufgescheucht. Und die Marshals sind ständig auf den Gängen, gehen hin und her.
    Dieser Mangel an Gastfreundlichkeit existiert, weil die Bundesregierung nicht den Eindruck entstehen lassen will, daß die Mühlen des Gesetzes langsam mahlen oder gar nicht. Sie möchte nicht, daß Leute sich in den Korridoren auf Bänken oder auf dem Boden niederlassen und mit glasigen Augen darauf warten, daß sich die Türen der Gerichtssäle öffnen und ihre Verfahren, oder die ihrer eingekerkerten Familienangehörigen, aufgerufen werden. Dieses
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