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Angst im Paradies

Angst im Paradies

Titel: Angst im Paradies
Autoren: Cathy McAllister
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Kapitel 1
     
    M an konnte es beim besten Willen nicht Schnee nennen, was da aus dem grauen, dicht verhangenen Londoner Himmel auf mich hinabfiel. Ein nasses, pappiges Etwas, das meine dünne Jacke im Nu durchfeuchtete und mich frösteln ließ. Echtes Novemberwetter! Den Kopf gesenkt haltend, legte ich einen Schritt zu. Musste es auch ausgerechnet heute so ein Mistwetter sein? Als ich losgegangen war, hatte es noch nicht geschneit, doch ich hätte ahnen können, was der graue Himmel zu bedeuten hatte. Alles wäre nur halb so schlimm, hätte ich meinen alten Wollmantel anstelle der dünnen, figurbetonenden Jacke angezogen. Doch ich wollte besonders gut aussehen, wenn ich im Gerichtssaal auf meinen Noch-Ehemann Mike traf. Er sollte sehen, wie blendend es mir ohne ihn ging.
    Nach neun Jahren Ehehölle hatte ich das Trennungsjahr ziemlich zermürbend erlebt. Noch immer war ich nicht frei, war ich rechtlich an diesen Mann gebunden, der ein ganzes Jahrzehnt meines Lebens bestimmt hatte. Heute war der Tag, an dem ich endlich die letzte Fessel lösen würde, die mich noch an Mike band. Auch wollte ich meinen deutschen Mädchennamen wieder annehmen. Aus Mrs. Brown, der Frau des weltbekannten Fotografen Mike Brown, würde wieder Julia Weber werden, ein einfaches Mädchen aus einer deutschen Kleinstadt. Auf die High Society mit ihren falschen Freundlichkeiten und dem ständigen Wetteifern um Ansehen und Wohlstand konnte ich gut verzichten. Ich hatte mir nie viel aus diesen sogenannten Freunden gemacht und war auch von ihnen niemals wirklich akzeptiert worden.

    font color="#000"> Es war nicht mehr weit bis zum Gerichtsgebäude, doch meine Frisur war nun endgültig ruiniert. Die sorgsam frisierten blonden Locken hingen glatt herunter und klebten feucht an meinem Gesicht. Ich fragte mich zum wiederholten Mal, warum ich mir kein Taxi bestellt hatte? Dass ausgerechnet heute den ganzen Weg von meinem Haus bis zum Gericht nicht ein einziges verdammtes freies Taxi zu bekommen gewesen war, war wirklich zu ärgerlich, wenn auch typisch für mein Leben, indem nie etwas glattzugehen schien. Ich fluchte leise, als eine nasse Flocke auf meinen Wimpern landete und das verlaufende Maskara in meinem Auge brannte. Hätte ich bloß wasserfeste Wimperntusche benutzt aber ich musste ja unbedingt heute diese Wimpern verlängernde Maskara ausprobieren! Dieser Tag schien sich zu einem Desaster zu entwickeln. Ich konnte nur hoffen, dass wenigstens bei der Verhandlung alles glattgehen würde. Ich war so schon nervös genug.
    „Verfluchtes Dreckswetter! So eine verdammte Sauerei! Ich werde aussehen, als hätte ich geheult“, schimpfte ich halblaut vor mich hin.
    Die Kälte kroch mir lähmend in sämtliche Knochen. Wie sehr ich diese Jahreszeit hasste! Wenn es denn wenigstens anständiger Schnee wäre, aber so etwas gab es in England eher selten, erst recht nicht in London. Wenn ich doch nur irgendwo leben würde, wo jetzt die Sonne schien, am besten das ganze Jahr über. Nein, ich musste mir ja ausgerechnet einen verdammten Engländer als Mann aussuchen! Ein Spanier wäre besser gewesen und vermutlich hätte ich mir dann auch neun Jahre Tyrannei gespart. Aber was nützte es, dieses was-wäre-wenn-Spiel? Es war, wie es war! Ich hatte aus dieser Geschichte gelernt; so hoffte ich wenigstens; und würde den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen.
    Endlich kam das alte Gerichtsgebäude in Sicht. Es war aus großen, gelben Sandsteinen gebaut, drei Stockwerke hoch und mit schwarzem Schiefer gedeckt. Eine Reihe roter Telefonzellen und ein roter Briefkasten der Royal Mail vor dem Gebäude unterstrichen den nostalgischen Flair des Gerichtsgebäudes. Es gab leider nur noch wenige dieser typisch englischen Telefonzellen in England. Die meisten waren inzwischen durch Moderne ersetzt worden. Ich ging noch schneller, rannte jetzt fast. Eilig hetzte ich die abgewetzten Sandsteinstufen hinauf und öffnete keuchend die schwere, alte Tür mit den schmiedeeisernen Beschlägen. Wie man es bei so einer Tür erwarten konnte, quietschte sie.

    In der Eingangshalle war es auch nicht viel wärmer, als draußen, dafür aber wenigstens trocken. Ich wischte mir die pappnassen Schneeflocken von der Jacke und aus den Haaren und schaute mich um. Eine Wandtafel verriet mir, wo ich hin musste. Ein Blick auf die Uhr. Es war zwanzig vor elf. – Gut! Ich hatte noch genug Zeit, um auf der Damentoilette zu verschwinden und den Schaden an meiner Erscheinung nach besten Kräften zu
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