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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Autoren: Michael Connelly
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allein.
    Er steckte sich eine Zigarette an und dachte an Honey Chandler. Das Bild ihrer Leiche verdrängte er durch seine Erinnerungen an sie im Gerichtssaal. So würde er immer an sie denken. Ihr Zorn loderte so rein und intensiv wie die blaue Flamme eines Streichholzes, bevor es erlöscht. Auch wenn er gegen ihn gerichtet war, bewunderte er ihren Zorn.
    Seine Gedanken schweiften ab, zur Statue vor dem Gericht. Ihr Name fiel ihm immer noch nicht ein. Eine Beton-Blondine hatte Chandler sie genannt. Bosch fragte sich, was Chandler am Ende über Gerechtigkeit gedacht hatte. An ihrem Ende. Er wußte, es gab keine Gerechtigkeit ohne Hoffnung. Hatte sie am Ende noch Hoffnung gehabt? Er glaubte es. Wie die reine blaue Flamme, die ins Nichts verbrennt, war sie noch dagewesen. Hatte noch gebrannt. Sie hatte ihr die Kraft gegeben, Bremmer zu besiegen.
     
    Erst als Sylvia auf die Veranda trat, hörte er sie. Er sah auf und sah sie und wollte sofort zu ihr gehen, hielt sich jedoch zurück. Sie trug Blue Jeans und ein dunkles Jeanshemd. Er hatte es ihr zum Geburtstag gekauft und nahm es als ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich war sie direkt von der Schule gekommen, die vor dem Wochenende eine Stunde eher endete.
    »Ich habe bei dir im Büro angerufen, und sie sagten mir, daß du frei hättest. Ich dachte, ich komme vorbei, um zu sehen, wie es dir geht. In der Zeitung habe ich alles über den Fall gelesen.«
    »Ich bin okay, Sylvia. Wie geht es dir?«
    »Mir geht’s gut.«
    »Wie geht es uns?«
    Sie lächelte ein bißchen über die Frage.
    »Das hört sich an wie die Autoaufkleber ›Wie fahre ich?‹ Harry, ich weiß nicht, wie es uns geht. Ich glaube, deswegen bin ich hier.«
    Dann trat beklemmendes Schweigen ein, als sie sich auf der Veranda umsah und dann zum Paß blickte. Bosch drückte seine Zigarette aus und warf sie in die alte Kaffeedose, die neben der Tür stand.
    »Hey, neue Kissen.«
    »Ja.«
    »Harry, du mußt verstehen, warum ich etwas Zeit brauchte. Es ist …«
    »Ich verstehe es.«
    »Laß mich zu Ende reden. Ich habe es oft genug geprobt, also möchte ich es dir auch wirklich sagen. Ich wollte einfach sagen, daß es sehr schwer für mich, für uns sein wird, wenn wir unsere Beziehung fortsetzen. Es wird sehr schwer sein, mit deiner und meiner Vergangenheit und mit unseren Geheimnissen fertigzuwerden – und vor allem mit dem, was du von der Arbeit mit nach Hause schleppst …«
    Bosch wartete darauf, daß sie weiterredete. Er wußte, sie war noch nicht fertig.
    »Ich weiß, daß ich dich nicht daran erinnern muß, aber ich habe das schon einmal mit einem Mann, den ich liebte, durchgemacht. Und dann zerbrach alles … Du weißt, wie es ausgegangen ist. Es hat uns beiden sehr viel Schmerz zugefügt. Deshalb mußt du verstehen, warum ich Distanz brauchte, um darüber nachzudenken. Über uns.«
    Er nickte, sie sah ihn jedoch nicht an. Das beunruhigte ihn mehr als ihre Worte. Trotzdem konnte er nichts herausbringen. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
    »Du befindest dich ständig in einem schweren Kampf, Harry. Ich meine, dein Leben … Du bist Cop. Aber auch bei allem Ballast, trägst du doch viel Gutes in dir. Ich sehe das.«
    Jetzt sah sie ihn an.
    »Ich liebe dich wirklich, Harry. Und ich möchte diese Liebe erhalten, weil sie das beste in meinem Leben ist. Ich weiß, es wird schwer sein. Aber vielleicht wird sie dadurch nur besser. Wer weiß?«
    Er ging jetzt zu ihr.
    »Wer weiß?« sagte er.
    Sie hielten einander lange, sein Gesicht neben ihrem. Er roch ihr Haar und ihre Haut. Er hielt sie am Nacken, als sei ihr Hals so zerbrechlich wie Porzellan.
    Nach einer Weile ließen sie sich los, aber nur, um sich auf die Liege zu setzen. Sie saßen still und hielten sich in den Armen, unendlich lang – bis der Himmel dunkler wurde und sich über den San Gabriel Mountains rot und violett färbte. Bosch wußte, daß er immer noch Geheimnisse mit sich trug, aber das mußte noch warten. Er würde dem finsteren Ort der Einsamkeit noch eine Weile fernbleiben.
    »Willst du am Wochenende wegfahren?« fragte er. »Raus aus der Stadt? Wir könnten den Trip nach Lone Pine machen und morgen in einer Hütte übernachten.«
    »Das wäre wunde rvoll. Das könnte ich – könnten wir gut brauchen.«
    Ein paar Minuten später fügte sie an: »Eventuell bekommen wir aber keine Hütte, Harry. Es gibt so wenige, und sie sind freitags normalerweise schon reserviert.«
    »Ich habe eine gebucht, für alle Fälle.«
    Sie drehte sich um,
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