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Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad

Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad

Titel: Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Autoren: Charlaine Harris
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vorkam.
    Andererseits konnte ich so einen dramatischen Auftritt hinlegen! Ich packte beide Türknäufe der Doppeltür, drehte, riss die Türen auf und trat zur Seite, um Mutters Kunden den umwerfenden Blick auf den dahinter liegenden Raum nicht zu verstellen. Gespannt wartete ich auf ihre Reaktionen.
    „Oh mein Gott!“, sagte Barby.
    Das war nicht, was ich erwartet hatte.
    Martin Bartell wirkte äußerst finster.
    Langsam und widerstrebend trat ich näher, um mir anzusehen, was die beiden da fassungslos anstarrten.
    In der Mitte des riesigen Bettes, den Oberkörper an das Kopfbrett gelehnt, die seidenen Betttücher bis zur Taille hochgezogen, saß eine Frau. Als erstes schockierten die bloßen Brüste, dann das Gesicht, dunkel und angeschwollen. Nur das zerzauste dunkle Haar, das ihr aus dem Gesicht zurückgestrichen war, vermittelte einen Hauch Normalität. An den Handgelenken der schlaff auf dem Bett liegenden Arme hingen Fesseln aus Leder.
    „Das ist Tonia Greenhouse!“ Meine Mutter war hinter ihren Kunden aufgetaucht. „Aurora, sieh bitte nach, ob sie auch wirklich tot ist.“
    Typisch Mutter: Selbst wenn es darum ging, bei einer eindeutig toten Person nach etwaigen Lebenszeichen zu suchen, vergaß sie das „Bitte“ nicht. Ich hatte schon einmal eine Tote berührt, das war nichts, was ich gern wieder tun mochte, aber ich wollte Mutters Bitte nachkommen und hatte schon den ersten Schritt in die entsprechende Richtung getan, als sich eine starke Hand um mein Handgelenk legte.
    „Ich mache das“, erklärte Bartell völlig unerwartet. „Das ist nicht meine erste Leiche. Barby, du gehst runter und setzt dich vorn ins Wohnzimmer.“
    Die befehlsgewohnte Stimme zeigte anscheinend sogar bei Schwestern ihre Wirkung: Ohne ein Wort zu verlieren tat Barby, wie ihr befohlen. Martin Bartell überquerte die schier endlose Strecke über den pfirsichfarbenen Teppich zu dem überdimensionalen Bett, beugte sich darüber und legte zwei Finger an den Hals der ganz eindeutig verstorbenen Tonia Lee Greenhouse.
    „Sie ist tot, aber das sehen Sie ja sicher selbst, und zwar wohl schon eine geraume Weile.“ Die Worte kamen völlig unaufgeregt, irgendwie unbewusst. Ich sah, wie Bartells Nase zuckte: Wahrscheinlich roch man den unangenehmen Duft, der aus dem Bett aufstieg, aus nächster Nähe weitaus deutlicher. „Sind die Telefone im Haus angeschlossen?“
    „Ich sehe nach.“ Mutter räusperte sich. „Ich versuche es mit dem Telefon unten im Erdgeschoss.“ Auch sie klang gefasst, allerdings sah ich, als ich mich zu ihr umdrehte, dass ihr Gesicht weiß geworden war. Würdevoll schritt sie Richtung Treppe, aber beim Hinuntergehen war ihr anzusehen, wie sehr ihre Beine zitterten. Als würde ein Erdbeben die Treppe erschüttern, das außer ihr niemand mitbekam.
    Meine Füße dagegen schlugen langsam im dicken Teppichboden Wurzeln. Natürlich wäre ich liebend gern überall anders gewesen, nur nicht hier, in diesem Zimmer, bloß schien mir die Energie zum Aufbruch völlig abhanden gekommen zu sein.
    „Wer war diese Frau?“ Mr. Bartell beugte sich immer noch über das Bett, hatte die Hände aber inzwischen hinter dem Rücken zusammengelegt und musterte mit zerstreutem Blick den Hals der Toten.
    „Tonia Lee Greenhouse von Greenhouse Realty, die eine Hälfte des Maklerbüros.“ Fast überraschte es mich festzustellen, dass ich noch eine Stimme besaß, die man hören konnte. „Sie hat das Haus gestern einem Interessenten gezeigt. Dazu musste sie sich den Schlüssel aus dem Büro meiner Mutter holen, der hing aber heute Morgen wieder an seinem Platz.“
    „Erstaunlich“, sagte Mr. Bartell immer noch sehr beiläufig.
    Richtig, das war erstaunlich.
    Wie untypisch wir uns alle verhielten, dachte ich, während ich nach wie vor wie angewurzelt dastand. Bei Barby wäre ich jede Wette eingegangen, dass der Anblick einer Toten sie in hysterisches Kreischen ausbrechen lassen würde, aber sie hatte nach dem ersten Ausruf keinen Laut mehr von sich gegeben. Mr. Bartell schien überhaupt nicht wütend darüber, dass wir ihm ein Haus mit einer Leiche darin gezeigt hatten. Meine Mutter hatte mir nicht befohlen, nach unten zu gehen und die Polizei anzurufen, sie hatte es selbst getan, und ich? Statt mir ein stilles Eckchen zu suchen und in finstere Grübeleien zu verfallen, stand ich stocksteif in der Gegend herum und mochte die Augen nicht von einem Geschäftsmann mittleren Alters lassen, der gerade eine nackte weibliche Leiche untersuchte.
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