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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Autoren: Thomas Harris
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Aufregung ihr Brot auf den feuchten Boden fallen lassen. Als Hannibal sich bückte, um es für sie aufzuheben, machte sie sich einen Spaß daraus, ihm mit ihrer sternförmigen kleinen Hand etwas Schmutz auf die Nase zu schmieren. Auch er tupfte ihr etwas Schlamm auf die Nasenspitze, und sie lachten über ihre Spiegelbilder im Burggraben.
    Plötzlich spürten die Kinder drei heftige Einschläge im Boden, das Wasser des Burggrabens begann zu zittern, und ihre Gesichter auf der dunklen Oberfläche verschwammen. Der Lärm ferner Explosionen rollte über die Felder. Hannibal zog seine Schwester vom Boden hoch und rannte mit ihr in den Schutz der Burg zurück.
    Im Burghof hatte man Cesar, das große Zugpferd, vor die Kutsche gespannt. Berndt in seiner Stallknechtschürze und Lothar, der Majordomus, luden drei kleine Koffer in das Gepäckabteil der Kutsche.
    Auf dem Treppenabsatz stand der Koch. »Junger Herr, Madame wünscht Sie in ihrem Zimmer zu sprechen«, rief er Hannibal zu, als er ihn erblickte.
    Hannibal übergab seine kleine Schwester Nana, dem Kindermädchen, und rannte die ausgetretenen Stufen des Haupthauses hinauf.
    Hannibal liebte das Zimmer seiner Mutter mit seinen vielen Gerüchen, der bemalten Decke und der Holzvertäfelung mit den geschnitzten Gesichtern. Madame Lecter war väterlicherseits eine Sforza, mütterlicherseits eine Visconti und hatte das Zimmer aus Mailand mitgebracht.
    Im Moment war sie sichtlich in Aufregung, und das Licht brach sich in rötlichen Funken in ihren strahlend braunen Augen. Wortlos drückte sie Hannibal eine Schatulle in die Hand, dann ging sie auf eine mit Reliefdarstellungen von Engeln verzierte Stelle der Wand zu und legte den Zeigefinger auf die Lippen eines Puttos, worauf sich in der Wand eine Klappe öffnete, hinter der ein Geheimfach verborgen war. Sie nahm den Schmuck, den sie darin aufbewahrt hatte, heraus und legte ihn in die Schatulle. Obenauf packte sie noch so viele der gebündelten Briefe aus dem Geheimfach, wie in dem Kästchen Platz fanden.
    Hannibal dachte, dass seine Mutter aussah wie ihre Großmutter auf der Kamee, die mit dem restlichen Schmuck in die Schatulle purzelte.

    Wolken, auf die Decke des Zimmers gemalt. Wenn er als Baby gestillt wurde, öffnete er immer die Augen und sah den Busen seiner Mutter mit den Wolken verschwimmen. Er wusste noch genau, wie sich die Säume ihrer Bluse an seinem Gesicht angefühlt hatten. Und die Amme – ihr goldenes Kreuz funkelte wie das Sonnenlicht zwi schen den wundervollen Wolken und drückte gegen seine Wange, wenn sie ihn hielt. Und wie sie dann den Abdruck des Kreuzes auf seiner Haut wegzureiben versuchte, damit er verschwand, bevor Madame ihn sah.

    Aber jetzt erschien sein Vater mit den Hauptbüchern in der Tür.
    »Simonetta, wir müssen aufbrechen.«
    Die Babywäsche wurde in Mischas Kupferbadewanne gepackt, und Madame steckte die Schmuckschatulle dazwischen. Sie blickte sich im Zimmer um, nahm ein kleines Gemälde von Venedig von der Kommode und drückte es nach kurzem Überlegen Hannibal in die Hände.
    »Bring das dem Koch. Aber sieh zu, dass du es schön am Rahmen hältst.« Sie lächelte ihn an. »Und dass du vor allem die Rückseite nicht wieder schmutzig machst.«
    Der Majordomus Lothar trug die Badewanne nach unten und lud sie in die Kutsche. Hannibal brachte das kleine Gemälde dem Koch und ging dann auf den Burghof hinaus. Dort stand Mischa ganz allein herum und wurde immer quengeliger, weil sich in der Hektik des Aufbruchs niemand um sie kümmerte.
    Hannibal hob seine Schwester hoch und ließ sie Cesars Kopf tätscheln. Um das große Zugpferd zum Wiehern zu bringen, kniff sie es ein paar Mal, aber Cesar blieb ruhig und bewegte nicht einmal den Kopf. Als es Mischa wieder langweilig wurde, nahm Hannibal eine Handvoll Getreidekörner aus dem Futterkübel und streute damit ein großes ›M‹ auf den Boden des Hofs. Sofort kamen Tauben angeflogen und bildeten beim Aufpicken des Getreides ein »M« aus lebenden Vögeln.
    Hannibal zog den Buchstaben in Mischas Handfläche nach – sie war schon drei Jahre alt, und er konnte es kaum erwarten, dass sie lesen lernte. »›M‹ wie Mischa!«, sagte er und sah sie eindringlich an. Aber sie schenkte ihm keine Beachtung, sondern rannte lachend auf die am Boden hockenden Tauben zu, die laut flatternd aufflogen, einmal um die Türme kreisten und sich dann im Glockenturm niederließen.
    Der Koch, ein großer, kräftiger Mann in weißer Küchenkleidung, brachte den
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