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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Autoren: Thomas Harris
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die Mitte des Hofs ging. »Herr Sturmbannführer, Sie tragen den Ring und die Narben Heidelbergs. Aber auch hier wurde einmal Kriegsgeschichte geschrieben, wie Sie sie jetzt wieder schreiben. Der Stein, den Sie hier sehen, ist der Rabenstein Hannibals des Schrecklichen. Hier starb einer der tapfersten Deutschritter. Wird es da nicht langsam Zeit, den Stein mit Judenblut reinzuwaschen?«
    Der Sturmbannführer zog die Augenbrauen hoch. »Dann lass mal sehen, ob du es auch wirklich verdienst, einer der Unseren zu werden.«
    Er nickte seinem Unterscharführer erneut zu. Dieser nahm die Pistole aus der Tasche an seiner Koppel, entfernte bis auf eine alle Kugeln aus dem Magazin und reichte die Waffe Grutas. Auf seinen Wink hin schleppten zwei SS-Männer den Koch zum Rabenstein.
    Der Sturmbannführer hatte sich abgewandt; er schien sich mehr für das Pferd zu interessieren. Grutas hielt dem Koch die Pistole an den Kopf und wartete, weil er wollte, dass der Sturmbannführer zusah.
    Der Koch spuckte ihn an.
    Als der Schuss fiel, flogen Schwalben von den Türmen auf.
    Der Stallknecht Berndt wurde beauftragt, Möbel für die Offiziersunterkunft ins Obergeschoss der Burg zu schaffen. Als er die Treppe hochging, sah er an sich hinab, ob er sich vor Angst in die Hose gemacht hatte. Oben angekommen, konnte Berndt aus einer Kammer unter dem Dach das laute Rauschen und Knacken eines Funkgeräts hören.
    Kurz darauf rannte der Funker mit einem Schreibblock die Treppe hinunter. Er wechselte ein paar Worte mit dem Sturmbannführer, dann kehrte er wieder nach oben zurück und machte sich daran, das Funkgerät abzubauen.
    Die Deutschen zogen nach Osten weiter.
    Aus einem Fenster im Obergeschoss beobachtete Berndt, wie die SS-Männer ein Tornisterfunkgerät aus einem der Panzer hoben und es in den kleinen Stützpunkt trugen, den sie in der Burg einzurichten vorhatten. Grutas und sein zwielichtiges Gesindel, die inzwischen alle mit deutschen Waffen ausgerüstet waren, luden sämtliche Lebensmittelvorräte aus der Küche auf ein Halbkettenfahrzeug. Als die Soldaten in ihre Fahrzeuge stiegen, kam Vladis Grutas aufgeregt aus der Küche gerannt, um nicht zurückgelassen zu werden.
    Die Einheit zog nach Russland weiter und nahm Grutas und die anderen Hiwis mit. Den Stallknecht Berndt schienen sie vergessen zu haben. In der Burg blieb nur ein Trupp Panzergrenadiere mit einem Maschinengewehr und dem tragbaren Funkgerät zurück.
    Berndt hatte sich in der Latrine im alten Turm versteckt und wartete, bis es dunkel wurde. Als die kleine deutsche Besatzungstruppe in der Küche zu Abend aß, stand nur noch ein Mann auf dem Hof Wache. Die Soldaten hatten im Küchenschrank Schnaps gefunden, und entsprechend ausgelassen war in kürzester Zeit die Stimmung.
    Diese Gelegenheit machte sich Berndt zunutze, um aus der Latrine in das Zimmer von Madame Lecter hinaufzuschleichen, wo die Deutschen das Funkgerät aufgestellt hatten. Der Boden vor der Kommode, auf der es stand, war von zerbrochenen Duftfläschchen übersät. Die Soldaten hatten sie einfach von der Kommode gefegt, um Platz zu schaffen. Berndt betrachtete das Funkgerät nachdenklich. Er musste an Ernst, den Gärtner, denken, der tot im Gemüsegarten lag, und an den Koch, der Grutas mit seinem letzten Atemzug ins Gesicht gespuckt hatte.
    Beim Betreten des Zimmers hatte Berndt das Gefühl gehabt, sich bei Madame für sein Eindringen entschuldigen zu müssen, aber jetzt kam er mit dem schweren Funkgerät auf dem Rücken, die Stiefel in seinen Händen, wieder heraus und schlich lautlos die steinerne Treppe hinunter. Unbemerkt von den deutschen Soldaten, die in der Küche lautstark feierten, verließ Berndt die Burg durch eins der Ausfalltore.
    Das Funkgerät und der handbetriebene Generator wogen zusammen über zwanzig Kilo. Berndt schleppte beides in den Wald und versteckte es dort. Er bedauerte, dass er das Pferd zurücklassen musste.

    In der Stube des Jagdhauses brannte ein Feuer. Sein warmer Schein legte einen sanften Glanz auf die Gesichter der um den offenen Kamin versammelten Familie und spielte um die bunt bemalten Balken des Hauses. Wenn sich das Licht in den staubigen Augen der ausgestopften Tierköpfe an den Wänden brach, schien es fast, als erwachten sie für kurze Zeit wieder zum Leben. Die stolzen Jagdtrophäen waren schon alt und verblichen, ihr Fell stellenweise kahl getätschelt von Generationen von Kinderhänden, die durch das Geländer der Galerie gefasst hatten, um sie zu
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