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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Autoren: Thomas Harris
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Damit machte er für die Sargfüße Bahnen auf dem Steinboden, damit der Sarg besser rutschte, wenn er seitlich in die für ihn vorgesehene Nische geschoben wurde. Die Sargträger waren froh, dass sie ihn von der Seite an seinen Platz schieben konnten und nicht heben mussten.
    Die Trauergäste sahen sich gegenseitig an. Niemand erklärte sich freiwillig bereit, ein Gebet zu sprechen, und deshalb schlossen sie die Gruft ab und eilten im Schneetreiben zu ihren Fahrzeugen zurück.

    Still und klein liegt Dortlichs Vater auf seinem Bett aus Kunst, und in seinem Herzen bildet sich Eis.
    Die Jahreszeiten werden kommen und gehen. Von den gekiesten Wegen draußen dringen Stimmen herein und gelegentlich die Ranke einer Kletterpflanze. Die Farben des Buntglases werden gedeckter, als sich Staub darauf ansammelt. Laub fällt und dann Schnee, und alles beginnt wieder von vorn. Die Gemälde, deren Gesichter Hannibal Lecter so vertraut sind, sind aufgewickelt wie die Rollen der Erinnerung.

60

    Große, weiche Schneeflocken fallen in der stillen Morgenluft an der Lièvre in Quebec und bleiben flaumig auf den Fenstersimsen des Caribou Corner Shop für Jagdbedarf und Taxidermie liegen.
    Wie Federn schweben die dicken Schneeflocken auf Hannibal Lecters Haar herab, als er den baumgesäumten Weg zu dem Blockhaus hinaufwandert. Der Laden ist geöffnet. Er kann ›O Canada!‹ aus einem Radio im Nebenzimmer hören, wo die Übertragung eines Eishockeyspiels beginnt. An den Wänden hängen Tiertrophäen. Ganz oben ist ein Elchkopf, und darunter angeordnet sind nach sixtinischer Manier lebende Bilder mit Polarfuchs und Schneehuhn, sanftäugigem Reh und Rotluchs.
    Auf dem Ladentisch ist ein in zahlreiche Fächer unterteilter Ablagekasten mit Glasaugen für ausgestopfte Tiere. Hannibal stellt seine Tasche ab und stochert mit einem Finger in den Augen herum. Er findet ein Paar in einem extrem hellen Blau, das für einen lieb gewonnenen verstorbenen Husky gedacht war. Hannibal nimmt die Augen aus dem Kasten und legt sie nebeneinander auf den Ladentisch.
    Der Geschäftsinhaber kommt aus dem Hinterzimmer. Bronys Grentz’ Bart ist inzwischen meliert, seine Schläfen beginnen zu ergrauen.
    »Ja? Kann ich Ihnen helfen?«
    Hannibal sieht ihm kurz aufmerksam ins Gesicht, dann stochert er in dem Kasten herum und findet ein Paar Augen, deren helles Braun denen von Grentz gleicht.
    »Was ist?«, fragt Grentz.
    »Ich komme, um einen Kopf abzuholen«, sagt Hannibal.
    »Welchen? Haben Sie Ihren Abholschein dabei?«
    »Ich sehe ihn aber nicht an der Wand hängen.«
    »Wahrscheinlich habe ich ihn hinten.«
    »Darf ich Sie begleiten? Ich zeige Ihnen, welcher es ist«, schlägt Hannibal vor.
    Er nimmt seine Tasche mit. Sie enthält ein paar Kleidungsstücke, ein Hackbeil und eine Gummischürze mit der Aufschrift »Eigentum Johns Hopkins«.

    Es war sehr aufschlussreich, Grentz’ Korrespondenz und sein Adressbuch mit der Liste der gesuchten Mitglieder der SS-Division Totenkopf zu vergleichen, die von den Engländern nach dem Krieg in Umlauf gebracht worden war. Grentz hatte eine ganze Reihe von Briefpartnern in Kanada und Paraguay sowie einige in den Vereinigten Staaten. Hannibal studierte die Unterlagen im Zug, in dem er sich dank des Inhalts von Grentz’ Bargeldschatulle ein Einzelabteil geleistet hatte.
    Auf der Rückfahrt zu seiner Assistenzarztstelle in Baltimore legte er in Montreal einen kurzen Zwischenhalt ein, um Grentz’ Kopf an einen der Brieffreunde des Tierpräparators zu schicken und als Absender Namen und Adresse eines anderen anzugeben.
    Er wurde nicht von Wut auf Grentz geplagt. Er wurde überhaupt nicht mehr von Wut geplagt oder von Träumen gepeinigt. Er hatte gerade Urlaub, und Grentz umzubringen schien ihm erquicklicher, als Ski zu fahren.
    Warm und gut gefedert ratterte der Zug nach Süden, in Richtung Amerika. Das war so ganz anders als die lange Zugfahrt, die er als Jugendlicher nach Litauen unternommen hatte.
    Er würde über Nacht in New York bleiben, als Grentz’ Gast im Carlyle absteigen und sich eine Theateraufführung ansehen. Er hatte Karten für Bei Anruf Mord und Picknick. Er entschied sich schließlich für Picknick, weil er Theatermorde wenig überzeugend fand.
    Amerika faszinierte ihn. Welch ein Überfluss an Wärme und Elektrizität! Was für seltsame, breite Autos! Amerikanische Gesichter, offen, aber nicht unschuldig, leicht zu lesen. Zu gegebener Zeit würde er sich seine Zutrittsgenehmigung als Förderer der Künste
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