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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Autoren: Thomas Harris
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unbekannten Tätern durchstochen worden. Wie ein Paraffintest ergab, hatte er einen Revolver abgefeuert.
    Von den toten Männern auf dem Hausboot waren nur noch Fett und Ruß übrig. Sie waren als Entführer und Menschenhändler bekannt. War nicht ein Lieferwagen mit zwei gefangen gehaltenen Frauen entdeckt worden, nachdem die Japanerin, diese Murasaki, der Polizei eine Autonummer zukommen ließ?
    Der junge Mann war nicht vorbestraft. Er war der beste Medizinstudent seines Jahrgangs.
    Inspektor Popil sah auf die Uhr und ging auf dem Flur zu ›Verhör 3‹, dem besten Vernehmungszimmer, weil dort etwas Sonnenlicht hereinkam und die Wandschmierereien dick mit weißer Farbe überpinselt waren. Vor der Tür hielt ein Polizist Wache. Popil nickte dem Mann zu, worauf dieser den Riegel zurückzog und ihn eintreten ließ.
    Hannibal saß an dem leeren Tisch in der Mitte des Raums. Sein Fußgelenk war an ein Tischbein gekettet, die Handgelenke an einem Ring am Tisch festgebunden.
    »Nehmen Sie ihm die Eisen ab«, trug Popil dem Polizisten auf.
    »Guten Morgen, Monsieur l’Inspecteur«, sagte Hannibal.
    »Sie ist hier«, sagte Popil. »Professor Dumas und Dr. Rufin werden erst nach dem Mittagessen zurückkommen.« Damit ließ ihn der Inspektor allein.
    Hannibal konnte jetzt aufstehen, als Lady Murasaki in das Vernehmungszimmer kam.
    Die Tür schloss sich hinter ihr. Sie blieb stehen und legte die flache Hand auf die Tür.
    »Kannst du schlafen?«, fragte sie.
    »Ja. Ich schlafe gut.«
    »Chiyoh lässt dich grüßen. Sie sagt, sie ist sehr glücklich.«
    »Das freut mich.«
    »Ihr junger Mann hat sein Studium abgeschlossen, und sie sind jetzt verlobt.«
    »Das freut mich sehr für sie.«
    Eine Pause.
    »Sie bauen zusammen Motorroller, kleine Motorräder. Sie haben mit zwei Brüdern von ihm einte Firma gegründet. Bisher haben sie schon sechs Stück gebaut, Chiyoh hofft, das die Motorroller gut ankommen werden.«
    »Das werden sie bestimmt – ich werde mir auch einen kaufen.«
    Frauen merken schneller als Männer, wenn sie beschattet werden. Das ist ein Teil ihrer Überlebenstechnik. Und sie erkennen Begehren sofort. Ebenso wie seine Abwesenheit. Lady Murasaki spürte die Veränderung in ihm. Irgendetwas fehlte hinter seinen Augen.
    Ihr kamen die Worte ihrer Vorfahrin Murasaki Shikibu in den Sinn, und sie sprach sie aus:

    »Zu Eis gefroren,
    stockt zwischen den Steinen
    das Gartenbächlein,
    aber am Himmel flutet
    das klare Mondlicht dahin.«

    Hannibal gab Prinz Genjis klassische Antwort:

    »In dieser Schneenacht,
    da man voll Sehnsucht alter
    Zeiten gedenkt,
    erweckt der Brautente Ruf
    auf dem Wasser noch Trauer dazu.«

    »Nein«, sagte Lady Murasaki. »Nein. Jetzt ist nur noch Eis da. Es ist verschwunden. Ist es nicht verschwunden?«
    »Sie sind mir der teuerste Mensch auf der Welt«, sagte er wahrheitsgemäß.
    Sie neigte den Kopf vor ihm und verließ das Zimmer.
    In Popils Büro fand sie Dr. Rufin und Professor Dumas in ein Gespräch vertieft. Rufin fasste Lady Murasaki an den Händen.
    »Sie haben mir erklärt, er könnte innerlich für immer vereisen«, sagte sie.
    »Spüren Sie es?«, fragte Rufin.
    »Ich liebe ihn, aber ich kann ihn nicht finden. Können Sie es?«
    »Das konnte ich noch nie«, antwortete er.
    Sie ging, ohne Popil Guten Tag zu sagen.

    Hannibal meldete sich freiwillig für eine Tätigkeit in der Gefängnisapotheke und stellte bei Gericht einen Antrag, sein Medizinstudium wiederaufnehmen zu dürfen. Dr. Claire DeVrie, die Leiterin des neu gegründeten forensischen Labors der Polizei, eine intelligente und attraktive Frau, fand, ein Mann mit Hannibals Fähigkeiten könne außerordentlich nützlich sein beim Aufbau einer Abteilung für qualitative Analyse und Toxinbestimmung, der nur ein Minimum an Reagenzien und Geräten zur Verfügung stand. Sie schrieb einen entsprechenden Brief, in dem sie seinen Antrag befürwortete.
    Professor Dumas, dessen unerbittlich gute Laune Popil über alle Maßen reizte, reichte ein Empfehlungsschreiben ein, in dem er sich voll des Lobes über Hannibal äußerte und darauf hinwies, dass das Johns Hopkins Medical Center in Baltimore in den Vereinigten Staaten Hannibal Lecter eine Stelle als Assistenzarzt angeboten habe, nachdem man seine Illustrationen für den neuen Anatomie-Atlas gesehen habe. Dumas verwies mit unüberhörbarem Nachdruck auf die Moralitätsklausel.

    Drei Wochen später verließ Hannibal den Justizpalast gegen den Widerstand Inspektor Popils als freier
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