Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
schnitten. Dann fasste er ihr, sein hartes, ausdrucksloses Gesicht erbleichend, die hellen Augen kein einziges Mal blinzelnd, unter die Bluse.
    Hannibal bekam die Hand hinter seinen Kopf und zog den Tanto-Dolch, von Grutas’ Kugel blutig, krumm und eingedellt, aus dem Kragen.
    Grutas blinzelte, sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, seine Beine knickten ein, und er fiel mit durchgeschnittenen Sehnen zu Boden. Hannibal wand sich unter ihm hervor. Lady Murasaki trat Grutas mit ihren gefesselten Füßen gegen den Kopf. Als er seine Pistole zu heben versuchte, packte Hannibal ihren Lauf und drehte ihn zur Decke. Ein Schuss löste sich, Hannibal schnitt Grutas mit dem Tanto-Dolch ins Handgelenk, und die Pistole entglitt ihm und rutschte über den Boden davon. Sich mit den Ellbogen voranschleppend, kroch Grutas ihr hinterher. Er schaffte es, sich auf die Knie aufzurichten und so vorwärtszurutschen, aber dann fiel er hin und musste sich wieder mit den Ellbogen nach vorn wuchten wie ein überfahrenes Tier, das sich mit zerbrochenen Gliedern von der Straße schleppt. Hannibal schnitt Lady Murasakis Arm los, und sie riss das Stilett aus der Stuhllehne, um damit ihre Fußfesseln zu durchtrennen. Anschließend zog sie sich in die Ecke neben der Tür zurück. Hannibal, sein Rücken blutüberströmt, schnitt Grutas den Weg zur Pistole ab.
    Grutas, inzwischen wieder auf den Knien über den Boden der Kajüte rutschend, hielt inne und sah Hannibal an. Aus seinen hellen arktischen Augen kam eine gespenstische Ruhe, als er ihn musterte.
    »Wir segeln alle gemeinsam in den Tod«, sagte er. »Ich, du, die Stiefmutter, die du fickst, und die Männer, die du umgebracht hast.«
    »Das waren keine Männer.«
    »Wie hat Dortlich geschmeckt? Wie Fisch? Hast du Milko auch gegessen?«
    Lady Murasaki meldete sich aus der Ecke zu Wort. »Hannibal, wenn Inspektor Popil ihn kriegt, lässt er dich vielleicht ungeschoren davonkommen. Bleib bei mir, Hannibal. Liefere ihn Popil aus.«
    »Er hat meine Schwester gegessen.«
    »Du auch«, sagte Grutas. »Warum bringst du dich nicht auch selbst um?«
    »Nein. Das ist eine Lüge.«
    »Und ob du sie gegessen hast. Der nette Topfgucker hat sie dir mit der Brühe eingeflößt. Du musst doch jeden umbringen, der es weiß, oder? Da deine Frau es jetzt weiß, musst du sie auch umbringen.«
    Hannibal hielt sich die Ohren zu. In einer Hand hatte er noch immer den blutigen Dolch. Er wandte sich Lady Murasaki zu und versuchte, ihre Miene zu ergründen. Er ging auf sie zu und drückte sie an sich.
    »Nein, Hannibal, er lügt«, sagte sie. »Liefere ihn Popil aus.«
    Grutas redete weiter und rutschte auf die Pistole zu. »Du hast sie gegessen, glaub mir, du warst schon halb bewusstlos.
    Du hättest sehen sollen, wie gierig sich deine Lippen um den Löffel geschlossen haben.«
    Hannibal brüllte an die Decke: »Nein!« Und dann stürzte er sich mit gezücktem Dolch auf Grutas, trat auf die Pistole am Boden, schlitzte ein M von der Länge seines Gesichts in ihn und schrie wie ein Besessener: »M für Mischa! M für Mischa! M für Mischa!« Grutas lag mit dem Rücken auf dem Boden, und Hannibal schnitt mit dem Messer große M’s in ihn.
    Plötzlich ertönte hinter ihm an der Tür ein Schrei. Ganz weit weg in dem roten Nebel ein Schuss. Hannibal spürte einen Mündungsblitz über sich. Er wusste nicht, ob er getroffen worden war. Er drehte sich um. Der Skipper stand hinter ihm, den Rücken Lady Murasaki zugewandt, der Griff des Stiletts über dem Schlüsselbein aus seinem Rücken ragend, die Klinge in der Schlagader steckend. Die Pistole entglitt den Fingern des Skippers, und er fiel vornüber.
    Hannibal stand wankend da, sein Gesicht eine Maske aus Rot. Lady Murasaki schloss die Augen. Sie zitterte am ganzen Körper.
    »Sind Sie getroffen?«, fragte Hannibal.
    »Nein.«
    »Ich liebe Sie, Lady Murasaki.« Er ging auf sie zu.
    Sie öffnete die Augen und wehrte seine blutigen Hände ab. »Was ist noch übrig in dir, das ich lieben könnte?«, stieß sie hervor. Sie lief aus der Kabine und die Kajütentreppe hinauf und hechtete in einem perfekten Kopfsprung über die Reling in den Kanal.

    Das Boot rumpelte sanft am Rand des Kanals entlang.
    Hannibal war jetzt auf der Christabel allein mit den Toten, deren Augen rasch glasig wurden. Müller und Gassmann waren unter Deck, am Fuß der Kajütentreppe. Grutas, von einem roten Fischgrätmuster überzogen, lag in der Kabine, in der er gestorben war. Jeder von ihnen hielt, wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher