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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Autoren: Thomas Harris
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Schlüssel Ihres Sohns.«
    »Er hatte nie einen Schlüssel.«
    »Es ist sein Dietrich,«
    »Dann können Sie ja wieder abschließen, wenn Sie gehen.«
    »Leutnant Dortlich hat mir ein paar Einzelheiten über Ihre ... Situation und Ihre diesbezüglichen Wünsche anvertraut. Haben Sie sie schriftlich festgehalten? Sie haben doch die Dokumente? Die Bruderschaft sieht es nach dem Ableben Ihres Sohns als ihre Pflicht an, Ihre Wünsche auf Punkt und Komma genau zu erfüllen.«
    »Ja«, sagte Dortlichs Vater. »Im Beisein eines Zeugen unterschrieben. Eine Durchschrift an den Meer- und Flussarbeiterbund geschickt. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern.«
    »Doch, das werde ich aber. Eine Sache noch.« Feldwebel Svenka stellte die Schachtel ab.
    Er näherte sich lächelnd dem alten Mann, nahm ein Kissen von einem Stuhl und bewegte sich dann seitlich tippelnd wie eine Spinne auf das Bett zu, um ihm das Kissen aufs Gesicht zu drücken. Dann setzte er sich, die Schultern des alten Manns mit den Knien gegen die Matratze drückend, rittlings auf ihn und legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf das Kissen. Wie lange würde es dauern? Dortlichs Vater schlug nicht um sich.
    Svenka spürte, wie sich etwas Hartes gegen seinen Unterleib presste. Die Decke unter ihm hob sich wie ein Zelt, und aus der Luger löste sich ein Schuss. Svenka spürte das Brennen auf seiner Haut und das Brennen, das tief in seinem Innern nach oben schoss, und er fiel hintenüber. Der alte Mann hob die Pistole und schoss noch einmal durch die Bettdecke, traf Svenka in die Brust und am Kinn, dann ließ er den Lauf entkräftet sinken, und der letzte Schuss traf seinen eigenen Fuß. Das Herz des alten Mannes schlug schneller und schneller und blieb stehen. Die Uhr über seinem Bett schlug sieben, und er hörte noch die ersten vier Schläge.

59

    Schnee über dem 50. Breitengrad bestäubte die hohe Stirn der Hemisphäre, Ostkanada, Island, Schottland und Skandinavien. In Grisslehamn in Schweden herrschte heftiges Schneegestöber, und dicke Flocken fielen ins Meer, als die Fähre mit dem Sarg an Bord im Hafen einlief.
    Der Agent der Reederei hatte den Männern vom Bestattungsinstitut einen vierrädrigen Transportkarren zur Verfügung gestellt und half ihnen, den Sarg darauf zu laden. Sie schoben den Karren über Deck und holten zum Schluss kräftig Schwung, um die Rampe zur Hafenmauer hinaufzukommen, wo der Lkw wartete.
    Dortlichs Vater hatte bei seinem Tod keine direkten Angehörigen hinterlassen, und sein Letzter Wille war unmissverständlich festgelegt. Der Meer- und Flussarbeiterbund Klaipeda trug dafür Sorge, dass sein Letzter Wille erfüllt wurde.
    Der kleine Trauerzug zum Friedhof bestand aus dem Leichenwagen, einem Kleinbus mit sechs Männern vom Bestattungsinstitut und einem Auto mit zwei älteren Verwandten.
    Es war keineswegs so, dass Dortlichs Vater gänzlich vergessen war, aber die meisten seiner Jugendfreunde waren bereits tot, und von seinen Verwandten lebten nur noch wenige. Er war immer schon das schwarze Schaf der Familie gewesen, und seine Begeisterung für die Oktoberrevolution hatte ihn der Familie vollends entfremdet und in die Sowjetunion verschlagen. Der Sohn von Schiffsbauern verbrachte sein Leben als gewöhnlicher Seemann – welch eine Ironie des Schicksals, fanden die zwei alten Verwandten, die am späten Nachmittag hinter dem Leichenwagen durch den fallenden Schnee fuhren.
    Die Familiengruft der Dortlichs war aus grauem Granit, mit einem Kreuz über dem Eingang und geschmackvollem Buntglas in den Lichtgadenfenstern, nur farbige Scheiben, keine bildlichen Darstellungen.
    Der Friedhofswärter, ein gewissenhafter Mann, hatte den Weg zur Gruft und die Stufen gefegt. Der große Eisenschlüssel fühlte sich sogar durch seine Fäustlinge hindurch kalt an, und die Zuhaltungen quietschten, als er ihn mit beiden Händen ins Schloss steckte und drehte. Die Männer vom Bestattungsinstitut öffneten die große Flügeltür und trugen den Sarg in die Gruft. Seitens der Verwandten wurde ungehaltenes Gemurmel laut, dass das Emblem eines kommunistischen Gewerkschaftsbundes in die Gruft Einzug halten sollte.
    »Betrachten Sie es einfach als brüderliches Lebewohl derer, die ihn am besten kannten«, sagte der Bestattungsunternehmer und hustete in seinen Handschuh. Für einen Kommunisten sah der Sarg ziemlich teuer aus, fand er und zog einen kleinen Preisaufschlag in Erwägung.
    Der Friedhofswärter hatte eine Tube mit weißem Lithiumfett in der Tasche.
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