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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition)
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Soldat sein und Menschen töten, sie liebte ihn. Das war absurd, aber wahr.
    „Ich liebe dich.“ Das Staunen klang in ihrer Stimme durch.
     
    Hannas Worte brachten Ben schlagartig in die Realität zurück. Es war wie ein Schock. Vergessen war der Sonnenaufgang, vorbei das tiefe Gefühl von Zufriedenheit und Einssein mit der Welt. Das waren nicht irgendwelche Floskeln, die einer Frau nach einer Liebesnacht aus dem Mund rutschten. Das war nicht irgendeine Frau, sondern Hanna. Hanna, die jedes Wort meinte, das sie sagte. Er konnte aus ihrer Stimme die Überraschung heraushören, diese Worte, laut ausgesprochen zu haben. Zugleich hallten die entsetzten Worte von Lisa durch seinen Kopf: „Du hast mit ihr geschlafen?“ Er wusste, er hatte nicht das Recht, sein Verlangen zu stillen, indem er Hanna noch mehr seelischen Schaden zufügte. Er schluckte, nackte Panik kam in ihm auf. Er unterdrückte den Drang, aufzuspringen und wegzulaufen. Stattdessen blieb er wie versteinert sitzen, unfähig, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, außer einen: Hilfe.
    Hanna fing an zu lachen, in ihren Augen waren noch immer die Wärme und das Strahlen des Sonnenaufgangs. Die Farbe ein tiefes Blau, wie der Himmel voller Versprechen. Abrupt stand sie auf, zog die Jacke enger um sich. Jetzt ein Lächeln im Gesicht, das seltsam fehl am Platz wirkte.
    „Jetzt weiß ich, wovor du Angst hast.“ Sie streckte ihre Hand aus, strich sanft über seine Wange. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ego sum lux mundi. Ego sum, qui sum.“ Sie ging ins Haus zurück. Ließ ihn allein in seiner Erstarrung. Nahm die Wärme mit, das Wunder und das Licht. Ich bin das Licht der Welt. Ich bin, wer ich bin.
     
    Im Haus wischte Hanna sich die Tränen aus dem Gesicht. Er war Soldat. Er tötete Menschen, das gehörte zu seinem Beruf. Sie liebte das Leben und würde es niemals jemand anderem nehmen. Es war nicht die Verantwortung gewesen, die sie gestern gelähmt hatte, sondern Angst. Egal, was sie sich selbst vorgelogen hatte. Angst vor den Schmerzen, Angst vor dem Tod, Angst davor, Menschen zu verlieren, die sie liebte. Diese Angst würde sie nicht verlassen. Sie wusste nicht, wie sie weiterleben könnte, wenn sie Mama und Marie niemals würde wiedersehen können. Nur eines war ihr klar. Sie musste sich dieser Angst stellen, auch wenn das bedeutete, eine Gefangene zu sein.
    Durch das Fenster sah sie ihn am Baum sitzen. Es war einfach, über jemanden zu lächeln, der Angst hatte, aber sie wusste es besser. Sie ging ins Bad, duschte und putzte sich die Zähne. Ein wenig mulmig war ihr zumute, als sie wieder nach unten ging. Was sollte sie sagen? Wie ihm begegnen?
    Er war immer noch draußen. Erleichtert atmete sie auf. Sie machte Kaffee, deckte den Frühstückstisch. Die Entscheidung, ob sie ihn holen sollte oder nicht, unterbrach sein Handy. Sie ließ es läuten, wartete, dass er es hörte. Nichts. Nach einer Weile ging das Handy erneut los. Sie nahm es, um es näher an die Haustür zu legen, berührte es aber an der falschen Stelle.
    „Major Wahlstrom, wo haben Sie gesteckt?“, kam es barsch aus dem Lautsprecher. Vorsichtig hielt sie es an ihr Ohr.
    „Ähm, ich bin nicht Major Wahlstrom …“, stotterte sie in das Gerät und ging zur Haustür, um Ben zu holen.
    „Hanna?“
    Abrupt blieb sie stehen.
    „Ist alles in Ordnung bei euch?“ Es war die Besorgnis in seiner Stimme, die in ihr Erinnerungen weckten.
    „Herr Hartmann?“
    Einen Moment lang war es still am anderen Ende.
    „Ja.“
    „Was machen Sie an dem Telefon von …“ Verblüfft brach sie ab, bevor ihr sein Name über die Lippen kam. Das wäre ihr aus irgendeinem Grund nicht richtig erschienen. Die fehlenden Puzzlestücke in ihrem Kopf begannen sich zusammenzufügen. Die Haustür ging auf, sie starrte Ben an. Er streckte die Hand aus, und sie gab ihm das Handy.
     
    Ben ließ Hanna nicht aus den Augen, als er das Gespräch annahm. Er hatte keine Ahnung, wie er ihr nach ihrem Geständnis begegnen sollte. Was er für sie empfand, wusste er selbst immer weniger. Seine Beziehungen zu Frauen, einschließlich seiner längsten, hatten auf dem gegenseitigen Einvernehmen bestanden, Spaß miteinander zu haben. Gemeinsame Unternehmungen, Urlaub, wenn er nicht im Einsatz war, und Sex. Meistens waren es die Frauen, die nach einiger Zeit ihm den Laufpass gaben, weil sie wussten, er war niemand, mit dem man sein Leben teilen konnte. Hanna war keine solche Frau, das hatte er von Anfang an gewusst.
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