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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition)
Autoren: Kerstin Rachfahl
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genau an seinen Wutanfall und seinen umgehenden Anruf bei der Agentur. Sie war ganz ruhig geblieben und hatte abgewartet, bis er einsah, dass es keine andere Möglichkeit gab. Missmutig schimpfte er über sie als Frischling und beklagte sich, dass er mit einer Frau dem Lauf des Ganges in die Berge folgen sollte. Wenn sie glauben würde, dass er ihre Kameraausrüstung tragen würde, dann hätte sie sich geschnitten. Belustigt war Hanna ihm gefolgt. Nicht sie war es, die nach dem vierten Tag über die Strapazen klagte. Ihr war kein Fußmarsch zu weit, sie kletterte jeden Baum hoch, wenn es dort eine bessere Perspektive für ein Foto gab.
    Ihre Ausrüstung gab sie niemals aus der Hand. Sie packte ihren Rucksack immer mit den gleichen Utensilien, lediglich die Stoffe änderten sich je nach Klimazone. Eine Hose, ein zweites Oberteil, sechs Unterhosen, drei BHs, drei Paar Socken, Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Shampoo und Hygieneartikel. An der einen Seite des Rucksacks war eine Halterung mit Schutzhülle für ihr größtes Objektiv. Auf der anderen Seite gab es ein Halterung für das Stativ. Um die Taille trug sie einen Gurt, in dem sich ein weiteres Objektiv befand, ein Tuch, ein Schweizer Offiziersmesser, ein Jagdmesser, Batterien sowie in verschiedenen kleinen Taschen, nach einem bestimmten Farbencode sortiert, die Speicherkarten für die Kamera. Hanna konnte mit verbundenen Augen einen Objektiv- und Chipkartenwechsel vornehmen, noch dazu in einer Geschwindigkeit, wie Profis in Thrillern die Magazine ihrer Waffen wechselten.
    Schon bald waren die Bedenken von Harald Winter verschwunden gewesen. Nachdem er ihre ersten Fotos zu Gesicht bekam, hatten sie sich zu Begeisterung gewandelt. Ihre Fotos mit seinem Artikel trieben die Auflagenhöhe der Zeitschrift nach oben. Hanna Rosenbaum wurde in der Szene schnell bekannt und eine begehrte Partnerin für den Fotopart. Sie besaß einen unbestechlichen Blick für die Seele eines Landes und noch mehr für die Menschen darin. Schon häufig war ihr das Staunen in Winters Gesicht aufgefallen, wenn sie ihm Fotos von ihren gemeinsamen Unternehmungen zeigte. Sie wusste, dass er sich fragte, wieso er nicht sah, was die Bilder von ihr ihm klar offenbarten. Manchmal machte sie sich einen Spaß daraus und brachte ihn völlig aus der Fassung, wenn sie durch digitale Nachbearbeitung besondere Merkmale in den Bildern hervorhob.
    Es war ihr einzigartiger Blick durch das Objektiv, das ihn zu ganzen Geschichten inspirieren konnte. Letztes Jahr war Harald Winter auf der ersten Ausstellung ihrer Fotos in einer Berliner Kunstgalerie gewesen. Die Austellung stand unter dem Motto: Menschen dieser Erde. Die Fotos zeigten Menschen aus verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Lebenssituationen. Es war ihr perfekt gelungen, die Gesichter und ihre Wesenszüge festzuhalten, die Fotos berührten Harald Winter tief. Viele von den Bildern waren bei ihren gemeinsamen Aufträgen entstanden. Die Mutter, die ihr Kind tröstete, das gestürzt war. Peruanische Frauen, die sich, gewickelt in bunte Trachten, lachend etwas erzählten. Ein Massai, der konzentriert in die Ferne blickte, oder buddhistische Mönche in tiefer Meditation, sodass Stille und Ruhe förmlich greifbar waren. Hanna wusste, seit Harald Winter mit ihr für Reportagen unterwegs war, gewann sein Stil an Klarheit und Kraft. Nun wagte er sich sogar an sein erstes Buch, es ging aus der Reportage über den Ganges hervor.
    Sie waren ein gutes Team, Hanna Rosenbaum reiste gerne mit Harald Winter. Er hätte ihr Vater sein können, doch nie versuchte er mit ihr zu flirten oder mehr. Er erzählte ihr gerne und viel von seinem Leben, er hatte vieles gesehen und über noch viel mehr geschrieben. Manchmal dachte sie, es gäbe nichts, was er nicht wusste.
    Kurze Zeit später saßen alle drei mit der Schwester von Ochuko Mutai sowie zehn Kindern an einem Tisch und aßen Moi-Moi, die traditionelle afrikanische Speise aus Bohnen mit Eiern in einem Fladen gebacken. Eine willkommene Abwechslung nach dem einseitigen Essen der letzten Wochen. Ochuko Mutai erzählte von ihrer Reise, und obwohl beide die Sprache nicht verstanden, erkannten sie an seinen Gesten recht gut, wovon gerade die Rede war. Mal von Harald Winter, der ständig in sein Buch kritzelte, mal von Hanna Rosenbaum, die Fotos machte. Hanna beobachtete die Geschwister, wie ungezwungen sie miteinander umgingen. Rukia Mutai schien jünger zu sein als ihr Bruder Ochuko Mutai. Sie besaß einen wachsamen,
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