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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition)
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Behandlung, und Marie ist stärker, als du denkst.“
    Elektrisiert wandte sie sich ihm zu. „Wo ist Mama?“
    „In einer Privatklinik. Dein Abschiedsbrief war etwas zu viel für sie.“
    „Ihr habt ihr einen Abschiedsbrief von mir geschickt?“ Ihre Stimme überschlug sich.
    „Nein, wir nicht. Übrigens ist das ein Detail, das ich mit dir noch klären muss. Wer hat den Abschiedsbrief geschrieben?“
    Die Worte von Lukas kamen ihr wieder in den Sinn. Verfluchter Mistkerl, verfluchter.
    „Ich muss zu Mama und Marie“, erklärte sie mit fester Stimme, ohne seine Frage zu beantworten.
    „Du brauchst dir keine Sorgen mehr um sie zu machen. Sie ist stabil, Marie hat sie bereits besuchen dürfen.“
    Sie ballte die Fäuste.
    „Es ist an der Zeit, dass du deine Mutter und Marie loslässt. Du musst an dich denken und an die Opfer, wir brauchen deine Aussage gegen Lukas und Armin.“
    „Meine Aussage? Ich werde nicht aussagen, ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Jetzt seid ihr dran, euren Job zu erledigen. Verdammt noch mal, weshalb leisten wir uns eine Polizei in diesem blöden Staat, damit sie rumlungern und andere die Kastanien aus dem Feuer holen lassen?“, fauchte sie böse und trat dicht an ihn heran.
    Er konnte nicht anders, die ganzen Tage hatte er sich gebremst, hatte versucht, seine Distanz zu wahren, aber es funktionierte einfach nicht. Schon gar nicht, wenn sie so dicht vor ihm stand, ihre funkelnden blauen Augen nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Mit einem Ruck zog er sie an sich und küsste die wütend zusammengepressten Lippen.
    Verblüfft von dem, was er tat, öffnete sie sich unter ihm. Einen köstlichen Moment lang gab sie nach, ihr Körper schmiegte sich an seinen, so wie er es in der Nacht geträumt hatte. Offen nach Sicherheit und Geborgenheit suchend, die zu geben er mehr als bereit war. Dann stieß sie sich heftig von ihm ab und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Übertrieben wischte sie sich mit der Hand ihren Mund ab und wich in den Raum zurück.
    „Sorry“, entschuldigte er sich lahm. Sein Herz raste. Es tat ihm nicht im Geringsten leid, was er getan hatte. Im Gegenteil, er wollte weitermachen, aber das verbot ihm seine Erziehung.
    „Gehört das zu den Standardmethoden eures Vereins? Oder ist das eine Sonderbehandlung für mich?“, schnaubte sie.
    Wortlos verließ er den Raum, bevor die Situation weiter eskalierte. Bewusst schloss er die Tür hinter sich und ging in sein Zimmer. Nein, diese besondere Behandlung hat erst dazu geführt, dass ich überhaupt in diese Sache verwickelt bin, stöhnte er leise. Es schien, als hätte er aus seinen Fehlern nichts gelernt.
     
    Hanna nahm das Kopfkissen und schlug es einige Male auf das Bett. Sie atmete tief ein, verwirrt von dem, was sie wollte, von dem, was sie wusste, und von dem, was ihr Angst machte. Im Schneidersitz setzte sie sich auf das Bett und betrachtete ihre halb gepackte Tasche. Wo wollte sie hin? Die heilende Wunde juckte, sie hob ihr T-Shirt hoch. Mit der Hand strich sie langsam darüber. So oft schon war sie dem Tod viel näher gewesen als dem Leben. Du kannst nur deinen Weg wählen und mit deiner Wahl die Welt ein kleines Stück zum Guten wenden. Ben hatte recht, sie musste ihre Mutter und Marie loslassen. Sie wusste es, und ihr war auch klar, dass ihr Leben nichts wert war, solange kein Urteil über Lukas Benner gesprochen war. Die Ironie war: Vermutlich wäre ihr Wissen sogar viel Geld wert.
    Nein, im Moment konnte sie nicht zurück. Im Moment war sie tot. Es gab nur einen Weg für sie zurück ins Leben, und der führte über die Verurteilung eines bestimmten Mannes. Damit würde sie auch Marie schützen können. Die Frage war nur, ob sie das aushalten konnte. Sollte sie die ganze Zeit hier in der Hütte verbringen? Bilder machen, die abends wieder gelöscht wurden? Allein diese Vorstellung ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Sie brauchte Luft, sie brauchte Freiheit, sie brauchte ihr eigenes Leben. Sie ließ sich auf den Rücken fallen, starrte an die Decke.
    War sie jemals frei gewesen, oder hatte die Angst sie gelähmt? Hatte sie jemals ihr eigenes Leben gelebt oder sich ständig versteckt? Gab es Luft für sie, oder schnürte die Verantwortung ihr die Luft ab? Sie drehte sich auf den Bauch, zog das Kissen unter die Brust. Sie dachte nur an sich, nicht an die Menschen, die gestorben waren. Menschen, die vielleicht nicht gestorben wären, wenn ja, wenn was? Wenn sie Lukas früher
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