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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition)
Autoren: Kerstin Rachfahl
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durchschaut hätte? Nein, es war nicht ihre Schuld, dass all das passiert war. Aber es würde ihre sein, wenn Menschen starben, weil sie zu feige war, um die Wahrheit zu sagen. Welchen Preis zahlte sie schon, wenn sie bis zum Verfahren eine Gefangene war, das aber für andere hieß, weiterleben zu dürfen. „In Demut nehme ich deinen Weg an und höre auf, an mich selbst zu denken“, flüsterte sie leise. Sofort konnte sie die Ruhe und Kraft in sich spüren, die der Widerhall dieser Worte in ihr erzeugte.
     
    Mitten in der Nacht stand Hanna auf. Sie öffnete die Tür des mittleren Zimmers und ging hinein. Ben lag bäuchlings im Bett, Arme und Beine von sich gestreckt. Sie setzte sich an den äußersten Rand des Fußendes, sodass sie das Bein, das unter der Decke herausschaute, nicht berührte. Wenn er so lag und schlief, schien er völlig entspannt zu sein. Sie betrachtete den Übergang zwischen Bein und Boxershorts, ein verführerischer Anblick. Als würde er ihren Blick spüren, drehte er sich zur Seite, und das Bein verschwand unter der Decke.
    Seine Augenlider flatterten. Sie rutschte im Bett hoch bis zu seiner Taille. Konnte ein Mensch durch bloßes Ansehen wach werden? Er blinzelte.
    „Wie lange wird es dauern …“ Sie hatte ihren Satz noch nicht beendet, da lag sie schon auf dem Rücken und die Mündung einer Waffe drückte auf ihre Stirn, exakt zwischen ihren Augen. Ihr Puls beschleunigte sich, sie blieb starr liegen, wartete, bis sie sah, dass er wieder denken konnte und nicht mehr nur instinktiv reagierte. Er ließ sie los, rollte sich von ihr herunter.
    „Mein Gott, Hanna, bis du wahnsinnig, mich so aus dem Schlaf zu reißen?“
    Vorsichtig begann sie, wieder zu atmen. Dort wo er sie gepackt hatte, würde sie morgen blaue Flecken haben. Wo sein Unterarm sie fixiert hatte, tat ihr Hals weh. Nur ein wenig mehr Druck, nur ein paar Sekunden länger purer Reflex, und sie wäre tot gewesen.
    Er drehte sich von seinem Rücken auf die Seite, stützte sich mit dem Ellenbogen ab und betrachtete sie besorgt. „Alles in Ordnung mit dir?“
    Sie atmete tiefer, spürte in ihren Körper hinein, nachdem der Adrenalinspiegel gesunken war. Abgesehen von dem Schreck und den blauen Flecken hatte er sie nicht verletzt.
    „Ja“, krächzte sie, tastete aber sicherheitshalber noch mal ihre Stirn über der Nasenwurzel ab, falls sie das Loch übersehen haben sollte. Sie konnte sein Grinsen spüren, während er sie beobachtete. Beleidigt drehte sie den Kopf zu ihm und sah ihn an.
    „Behandelst du alle Frauen so, die in deinem Bett auftauchen?“
    Der Ausdruck in seinen Augen wandelte sich. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Er kam näher, sein Kopf senkte sich. Sie schloss die Augen. Wie konnte er ihr Angst einjagen und gleichzeitig das Verlangen wecken, ganz nah bei ihm zu sein? Sie zog scharf die Luft ein, als seine Lippen von ihren abließen, ihre Wange küssten, ihren Hals und weiter zu ihrem Ohr wanderten.
    „Nein, und das solltest du am besten wissen“, flüsterte er. Sein Atem an ihrem Hals verursachte eine Gänsehaut, die sich bis zu ihren Fußspitzen ausbreitete. Ihre Hände machten sich selbstständig, glitten unter sein Shirt, streichelten seine Haut. Ihre Gedanken hörten auf zu existieren. Der Augenblick bestand nur noch aus Tasten, Riechen, Schmecken, Eintauchen in ein Meer von Sinnlichkeit. Sie ließ sich mitnehmen von der Welle ihrer Leidenschaft, weg von allen Sorgen.
     
    Wohlig dehnte und streckte Ben seinen Körper. Träge kehrten seine Gedanken aus dem Schlaf zurück. Es ging nicht anders, er musste lächeln, einfach so. Seine Erinnerungen an die letzte Nacht kamen zurück. Seine Hand tastete nach der Frau in seinem Bett, suchte nach dem süßen Verlangen, das seine Trägheit verursacht hatte. Sie fand nichts. Ein Blinzeln seiner Augen, ein Blick auf die Seite, wo sie hätte liegen müssen. Schlagartig war er hellwach. Sie war gestern Nacht in sein Bett gekommen. „Verdammt.“ Er hob sein Kissen hoch, suchte nach dem Schlüssel von der Haustür. Nichts. „Ben, du Idiot“, stöhnte er, sprang aus dem Bett und zog sich seine Hose an, während er bereits die Treppe hinunterrannte. Die Haustür war auf. Wenigstens hatte sie ihn nicht eingesperrt. Er rannte hinaus, bremste sofort. Dort am Baum saß sie, eingewickelt in die Strickjacke.
    Er atmete tief durch, versuchte, ruhig zu werden. Die Jacke war viel zu dünn, so früh am Morgen konnte sie kein wirklicher Schutz gegen die Kälte sein. Er ging
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