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Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)

Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)

Titel: Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
Autoren: John Farndon
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war, es würde noch Chaos herrschen. Natur hat eine Welt geschaffen, Kunst eine andere. Kurz: Alles ist künstlich, denn Natur ist die Kunst Gottes.« Die meisten seiner Zeitgenossen hätten dieser Ansicht zugestimmt.
    Doch in den folgenden zwei Jahrhunderten änderte sich die Betrachtungsweise. Der viktorianische Poet Philip James Bailey schrieb: »Kunst ist die Natur des Menschen, Natur ist die Kunst Gottes.« Auf den ersten Blick scheint er das Gleiche zu sagen wie Browne. Doch Browne hätte nicht verstanden, was Bailey meinte. Zu Brownes Zeiten verstand man unter Natur schlicht die gesamte physische, von Gott statt vom Menschen geschaffene Welt – wer das Wirken der Natur zu ergründen versuchte, bezeichnete sich als »Naturphilosoph«. Doch für die Menschen des Viktorianischen Zeitalters gab es Natur sowohl im Sinne von »Wesen, Kern« als auch im Sinne von »Landschaft«, die man durchstreifen und bewundern konnte.
    Natur war nun von dem Bereich menschlicher Aktivität und Betriebsamkeit losgelöst, sie galt nicht mehr als ergänzendes Gegenstück zur Kunst. Aus »Naturphilosophen« waren »Wissenschaftler« geworden, wer sich professionell mit Pflanzen oder Tieren beschäftigte, wurde als Botaniker oder Zoologe bezeichnet. Amateure, deren Steckenpferd es war, Vögel und Schmetterlinge zu beobachten, nannte man »Naturalisten«. Mehr und mehr wurde Natur zu dem, was wir heute darunter verstehen: Etwas, das man in prächtigen Fernsehbildern bewundert oder auf Ausflügen genießt, zu dem man selbst aber nicht gehört. Natur ist für uns damit ebenso wenig naturgegeben wie unser Interesse an Computern oder an der hohen Kochkunst. In diesem Sinn ist Natur unnatürlich geworden.
    Die Ausgangsfrage beinhaltet noch einen zweiten Aspekt: Wie viel unserer natürlichen Umgebung ist wirklich »natürlich«? Die Landschaften auf der Erde wurden überwiegend durch die Arbeit der Menschen geformt, und die Pflanzen und Tiere, die die Ackerländer bevölkern, sind diejenigen, die sich an die Eingriffe des Menschen am besten angepasst haben: Schlüsselblume und Gänseblümchen, Klee, Feldlerchen, Grauammer, Finken und Rebhühner. Da die Intensivierung der Landwirtschaft die Umwelt weiter verändert, sind inzwischen auch viele dieser Arten bedroht. Der Mensch hat jedoch nicht nur durch Rodung und Ackerbau die natürliche Umgebung umgestaltet, auch die Verschmutzung von Wasser und Luft stellen massive Eingriffe dar. Zahlreiche Arten von Wildtieren sind stark gefährdet, da der Mensch ihre Lebensräume verändert oder zerstört.
    Während jedoch viele Arten verloren gehen, erstarken andere. Die Natur stirbt nicht ab, sie entwickelt sich in eine andere Richtung. Insgesamt verringert der Mensch durch seine Eingriffe die Vielfalt der Natur, einige Arten aber profitieren – und vermehren sich oft, bis sie zur Landplage werden. Und so sehr unsere allgegenwärtigen Nutzpflanzen und -tiere auch durch menschliche Eingriffe verändert wurden, so sind sie doch Abkömmlinge natürlich vorkommender Spezies. Die Natur, oder besser die natürliche Umgebung, kann also trotz aller Veränderungen durch den Menschen immer als »natürlich« beschrieben werden.
    Auch der Mensch ist ein Produkt der Natur. Selbst die extremsten von Menschen geschaffenen Umgebungen, von den Shopping-Malls in Schanghai bis zum Atombunker, sind daher in gewisser Weise natürlich. Definiert man Natur allerdings als »vom Menschen unberührt«, so lässt sich vermutlich kein Fleck auf der Erde als »natürlich« beschreiben …
    In den letzten Jahren hat das Wort »natürlich« die Aura des Edlen erhalten. Gentechnisch veränderte Lebensmittel oder 65-jährige Schwangere werden von Kritikern als »unnatürlich« bezeichnet, um sie grundlegend zu verurteilen. Gleichzeitig dient in der Werbung der Begriff »natürlich« dazu, Produkte in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Welch Ironie, dass eine Orangentorte »mit natürlichem Orangenaroma« mit größter Wahrscheinlichkeit nie eine – natürliche oder unnatürliche – Orange gesehen hat! Die Lebensmittelindustrie darf ganz legal mit »natürlichen Aromen« werben, solange diese natürlich gewonnen statt chemisch synthetisiert wurden.
    Aber warum wird »natürlich« so selbstverständlich mit »gut« und »unnatürlich« mit »schlecht« assoziiert? Schließlich sind Malaria und Cholera auch natürlich. Und der Tod auch. Wahrscheinlich wirkt dabei noch die antike Vorstellung nach, dass Dinge in ihrem
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