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Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)

Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)

Titel: Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
Autoren: John Farndon
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Überlieferung nach befohlen haben soll, die Bibliothek von Alexandria anzuzünden, hat unter Philologen also durchaus Feinde. Der Brandstifter im Fakultätsgebäude darf auch nicht allzu viel Dank erwarten ...

 Ich finde Hamle t zu lang. Sie auch?

Anglistik, Oxford
    Shakespeare wird so universell verehrt, dass die Qualität seiner einzelnen Werke oft gar nicht mehr hinterfragt wird. Junge Studenten – zumindest diejenigen, die Shakespeare nicht als »langweilig« abtun – bewundern ihn ehrfürchtig. Über die Jahrhunderte haben sich so viele Schichten der Shakespeare-Verehrung übereinandergelegt, dass es schwerfällt, seine Werke nicht als literarische Bibeln, sondern als Dramen zu betrachten, die von einem realen Autor verfasst wurden, der bessere und schlechtere Tage erlebt hat. Diese Unantastbarkeit seiner Werke sorgt möglicherweise dafür, dass wir uns der Qualität und der spannenden Unmittelbarkeit seiner Verse gar nicht mehr bewusst sind.
    Die Ausgangsfrage wirkt auf den ersten Blick unglaublich borniert. Hamlet gilt vielen Menschen als eines der großartigsten literarischen Werke aller Zeiten, als das Meisterstück des größten Dramatikers überhaupt. Zweifel daran erscheinen fast schon als Blasphemie. Dennoch hilft die Frage, die Patina der Shakespeare-Verehrung zu durchbrechen und das Stück aus der Perspektive eines Theaterbesuchers im Elisabethanischen Zeitalter zu betrachten, der 1601 der Uraufführung beiwohnte und noch nichts von dem Nachruhm des Dichters ahnte. Wir werfen also einen Blick auf Hamlet , als wäre es das Werk eines noch völlig unbekannten modernen Schriftstellers.
    Man kann sich fast vorstellen, wie ein einfältiger, aufgeblasener Theaterkritiker damals geurteilt haben mag: »Herr Shakespeare hat ein faszinierendes Stück über einen verwirrten jungen Mann geschrieben, der lange hadert, ob er den Mord an seinem Vater rächen soll. Das sich über vier Stunden hinziehende Werk erfasst sehr schön den Überdruss, den das Zögern des jungen Mannes auslöst, strapaziert die Geduld des Publikums aber schon arg. Schon deutlich vor der Hälfte des Stücks hätte ich am liebsten dazwischengerufen: › Herrschaftszeiten, bring den Mistkerl doch endlich um! ‹ Kann es sein, dass Herr Shakespeare seine weitschweifigen Verse mehr liebt, als wir es tun? (Drei von fünf Sternen)«
    Hamlet ist zweifellos lang, bei Weitem Shakespeares längstes Stück. Mit fast 4000 Zeilen besitzt es fast den doppelten Umfang von Der Sturm oder Macbeth . Hamlets Part allein ist mit 1500 Zeilen fast so lang wie Shakespeares kürzestes Stück, Die Komödie der Irrungen . Die Forschung streitet zwar noch, welche Textversion die endgültige war, eine Aufführung des Stücks in der ungekürzten Fassung dauert jedoch mindestens vier Stunden. Es verwundert daher nicht, dass viele Regisseure den Text kürzen; sie trauen dem modernen Publikum mit seiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne schlicht nicht zu, den Marathon eines ungekürzten Hamlet durchzustehen. Regisseure und Kritiker sprechen dann gern von »geglätteten«, »gekürzten« oder »flotten« Fassungen. Für seine Verfilmung von 1948 kürzte Lawrence Olivier den Text so stark, dass sein Hamlet keine zweieinhalb Stunden dauerte – und Olivier neben Shakespeare als Mitautor erwähnt wurde. Zeitgenössische Regisseure sind oft ebenso brutal.
    Wie auch der Filmregisseur Franco Zeffirelli reduzierte Olivier die Länge unter anderem dadurch, dass er die Figuren Fortinbras, Rosenkranz und Güldenstern strich. Dadurch nahmen sie dem Stück das politische Element und reduzierten es auf den gravierenden persönlichen Konflikt Hamlets. Und genau hierin liegt das Problem mit der Ansicht, Hamlet sei »zu lang«: Wenn ja, was ist zu lang, was kann gekürzt werden? Lässt man den politischen Aspekt weg, geht der Kontext verloren, vor dem sich Hamlets Drama abspielt – wir übersehen, dass er ein Prinz ist und deswegen nicht nur ein psychologischer, sondern auch ein politischer Handlungsdruck auf ihm lastet. Durch Kürzungen ist eine Aufführung des Theaterstücks vielleicht leichter zu bewerkstelligen und das moderne Publikum besser zu begeistern, allerdings büßt das Werk an Tiefe ein. Das häufig vorgenommene Streichen der Szenen mit der Gruppe der Hofleute ergibt ebenfalls eine glattere, flottere Geschichte ohne Abschweifungen, jedoch geht auch hier ein Teil des psychologischen und symbolischen Reichtums des Stücks verloren.
    Natürlich haben auch gekürzte Fassungen
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