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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker
Autoren: Stefan Slupetzky
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aber war die Auswahl der Themen merklich geschrumpft: Fußball, Fußball, Fußball, den Schestak ärgern und Fußball, das waren die Sujets, auf die man sich neuerdings beschränkte. Kein Wunder, hatte es Österreich doch erstmals seit 1964 geschafft, sich für die Endrunde einer Europameisterschaft zu qualifizieren – als Gastgeberland, versteht sich. Und als solches hätte selbst der Vatikan elf seiner Kardinäle ins Rennen schicken dürfen.
    »Übermorgen geht’s los«, eröffnete Schestak – durch ein mittlerweile vor ihm stehendes Krügel Bier beruhigt – das Gespräch. »Na, die Kroaten werden ein harter Brocken …«
    »Ah, geh!«, tönte es ihm da entgegen. »Die Krawotn reißen gar nix gegen uns!«
    »Armutschgerln sind das! Tuttlige Balkanpflanzerln!«
    »Lauter Krepierln, schwachmatische!«
    »Und außerdem … haben wir ja dich! Unseren Stürmerprinzen! Wann immer der Kopeinig naht, weiß der Kroat bald keinen Rat!«
    Gelächter. Dann – ganz plötzlich – Stille. Schestak hatte sich von seinem Sitz erhoben, er ließ seinen drohenden Blick in die Runde schweifen. »Es gibt nur eine Sache«, zischte er, »die dieser Trottel Kopeinig kann. Nämlich abkassieren. Kräftig abkassieren für nix und wieder nix. Der Kopeinig kann mich am Arsch lecken.«
    »Also doch zwei Sachen …«, ließ sich da eine glucksende Stimme vernehmen.
    Und wieder schallendes Gelächter. Schestak war blass geworden. Mit zitternden Fingern dämpfte er die Zigarette aus. Dann wandte er sich dem Ausgang zu und stapfte ohne ein weiteres Wort aus dem Lokal.
    »Momenterl, der Herr! Da können S’ net durch! Das ist nur für … Ach, Sie sind’s, Herr Kopeinig!«
    »Wer sonst?«, entgegnete Eduard Schestak dem Wachebeamten.
    »Aber Sie sollen doch erst um halb fünf … mit den anderen …«
    »Was soll ich? Was hast g’sagt?« Ohne lange zu fackeln, packte Schestak den Mann am Revers. »Gut zuhorchen«, raunte er ihm ins Gesicht. »Weil zweimal sag i’s net …« Schestak legte eine Pause ein, machte einen Ausfallschritt und runzelte die Stirn. »Scheiß drauf, jetzt hab ich’s vergessen«, murmelte er.
    »Schon recht, Herr Kopeinig … Nix für un-gut …«
    Der Wächter starrte Schestak nach, als dieser durch den neonbeleuchteten Flur in die Tiefen des Stadions taumelte. Die armen Kroaten, so dachte er im Stillen. Sie würden heute Abend umfallen wie die Fliegen: Kopeinig bräuchte sie nur anzuhauchen …
    Nach schier endloser Suche stand Schestak vor der Mannschaftskabine der Österreicher. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und betrat den dunklen, mit hohen, metallenen Spinden gesäumten Raum. Er wandte sich nach links, gelangte durch eine weitere Tür in die Spielertoiletten und verschanzte sich in einem der Klosetts.
    »Schestak vor, noch ein Tor«, lallte Schestak, auf der Klobrille sitzend. Dann griff er in seine zerschlissene Sporttasche, um ihr eine halb volle Wodkaflasche und ein Päckchen Flirt zu entnehmen. Er zündete sich eine Zigarette an, öffnete die Flasche, machte einen kräftigen Schluck und wartete.
    Er musste wohl ein wenig eingenickt sein, denn als er die Augen öffnete, da waren die Kabinen hell erleuchtet. Von nebenan drangen Stimmen an sein Ohr, Stimmen, die ihm aus dem Fernsehen wohlvertraut waren. Jene des linken Verteidigers Watzko konnte er erkennen, dann jene von Rogner, dem Mittelfeldspieler, und schließlich das glockenhelle Organ von Juch, dem Torwart. Juch, der Eunuch, pflegte die Stammtischrunde zu lästern, wenn das Gespräch auf ihn kam. Schestak grinste – und zuckte zusammen: Polternd wurde die Tür zu den Toiletten aufgestoßen; jemand trat in den Raum.
    »Bist du deppert, da fäult’s! Watzko, du Weh! Musst du allerweil am Häusl rauchen?«
    »Kusch, Kopeinig!«, tönte es von draußen herein. »Pack dei’ Prinzenrolle ein und komm, in fünf Minuten geht’s los!« Gleich darauf fiel die Tür ins Schloss. Man konnte nur noch das Rascheln von Kleidern vernehmen, gefolgt vom sanften Plätschern des Stürmerstrahls.
    Leise kam Schestak aus seinem Versteck. Lächelnd, fast liebevoll betrachtete er sein Alter Ego, das – mit dem Rücken zu ihm – vor dem Pissoir stand. Er ließ Kopeinig fertig pinkeln. Dann drosch er ihm mit aller Kraft die leere Flasche auf den Hinterkopf.
    Kaum war der Anpfiff erfolgt, warf sich Eduard Sches tak in die Schlacht, als ginge es um sein Leben. Im Laufschritt stürmte er gegen das Tor der Kroaten, ohne die Spieler ringsum zu beachten. An der
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