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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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angeordnet?« Die Zecke hatte Winbornes Ohr erreicht und überlegte sich offensichtlich eine alternative Route.
    »Dass die Knochen so in der Erde liegen, wie sie im Körper angeordnet sind. Bei sekundären Bestattungen, wenn die Leichen erst nach dem Fleischverlust in die Erde gelegt werden, ist das ungewöhnlich. Die Knochen sind dann normalerweise durcheinander geworfen, manchmal in ganzen Haufen. Es kommt nur gelegentlich vor, dass in solchen Gemeinschaftsgräbern ein oder zwei Skelette anatomisch korrekt angeordnet sind.«
    »Warum?«
    »Dafür kann es viele Gründe geben. Vielleicht starb jemand unmittelbar vor Schließung des Gemeinschaftsgrabs. Vielleicht wollte die Gruppe weiterziehen und hatte keine Zeit mehr, die Verwesung abzuwarten.«
    Ganze zehn Sekunden lang machte er sich Notizen. Die Zecke verschwand aus meinem Blickfeld.
    »Intrusiv. Was heißt das?«
    »Dass eine Leiche erst später in das Grab gelegt wurde. Wollen Sie es sich ansehen?«
    »Genau dafür lebe ich.« Winborne wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn und seufzte dabei, als würde er auf der Bühne stehen.
    Nun bekam ich doch Mitleid mit ihm. »Sie haben da eine Zecke am Kragen.«
    Winborne reagierte schneller, als man es von einem Mann seiner Masse für möglich halten würde. Mit einer einzigen Bewegung fuhr er sich an den Kragen, bückte sich und schlug sich auf den Hals. Die Zecke purzelte in den Sand und richtete sich wieder auf, offensichtlich war sie an Zurückweisung gewöhnt.
    Ich ging los, vorbei an Büscheln von Seehafer, dessen Ährenköpfe bewegungslos in der schweren Luft standen. Es war erst Mai, und schon kletterte das Thermometer auf über dreißig Grad. Obwohl ich das Lowcountry liebe, war ich froh, nicht im Sommer hier graben zu müssen.
    Ich bewegte mich schnell, wohlwissend, dass Winborne mir nicht würde folgen können. Gemein? Ja. Aber die Zeit war knapp. Und an diesen Trottel von Reporter hatte ich keine zu verschwenden.
    Außerdem war mein Gewissen jetzt rein, wegen der Zecke.
    Aus Tophers Gettoblaster dröhnte ein Song, den ich nicht kannte, von einer Gruppe, deren Namen ich nicht kannte und den ich mir auch nicht merken würde, falls man ihn mir sagte. Seevögel und Brandung wären mir lieber gewesen, aber immerhin war das Programm dieses Tages besser als das Heavy-Metal-Zeug, das die Studenten normalerweise hörten.
    Während ich auf Winborne wartete, ließ ich den Blick über die Ausgrabungsstätte wandern. Zwei Testgräben waren bereits ausgehoben und wieder aufgefüllt worden. Der erste hatte nur sterile Erde ergeben. Im zweiten hatte man allerdings menschliche Knochen gefunden, eine frühe Bestätigung von Jaffers Vermutung.
    Drei weitere Gräben waren noch offen. An jedem arbeiteten Studenten mit Kellen, schleppten Eimer und siebten Erde durch Drahtgitter, die auf Sägeböcken lagen.
    Topher schoss eben Fotos am östlichsten Graben. Der Rest seines Teams saß mit untergeschlagenen Beinen da und betrachtete, was ihn so interessierte.
    Als Winborne mich einholte, war er an der Grenze zwischen Schnaufen und Keuchen. Er wischte sich die Stirn und rang nach Atem.
    »Heiß heute«, sagte ich.
    Winborne nickte. Sein Gesicht hatte die Farbe von Himbeersorbet.
    »Alles okay mit Ihnen?«
    »Bestens.«
    Ich ging auf Topher zu, doch Winbornes Stimme stoppte mich.
    »Wir bekommen Besuch.«
    Als ich mich umdrehte, sah ich einen Mann in einem pinkfarbenen Poloshirt und Khakihose, der über die Dünen lief, nicht um sie herum. Er war klein, fast wie ein Kind, und hatte kurz geschorene, silbergraue Haare. Ich erkannte ihn sofort. Richard L. »Dickie« Dupree, Unternehmer, Baulöwe und Gauner durch und durch.
    Dupree wurde begleitet von einem Basset, dem Bauch wie Zunge fast bis auf den Boden hingen.
    Zuerst ein Journalist, jetzt Dupree. Den Tag konnte man abhaken.
    Ohne Winborne zu beachten, steuerte Dupree mit der ganzen entschlossenen Selbstgerechtigkeit eines Taliban-Mullahs auf mich zu. Der Basset blieb zurück, weil er einem Büschel Seehafer ausweichen musste.
    Wir alle wissen, was persönlicher Freiraum ist: der Abstand zwischen einem selbst und anderen. Für mich muss er mindestens fünfundvierzig Zentimeter betragen. Ist er geringer, werde ich nervös.
    Einige Fremde kommen einem zu nahe, weil sie schlecht hören oder sehen. Andere, weil sie aus einem anderen kulturellen Hintergrund stammen. Nicht Dickie. Dupree war der Überzeugung, dass Nähe ihm größere Überzeugungskraft verlieh.
    Dreißig
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