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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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Charleston angerufen, musste aber zu meiner Enttäuschung erfahren, dass sich meine Freundin in Florida aufhielt, wo sie den ersten Urlaub seit fünf Jahren machte. Schlechte Planung meinerseits. Ich hätte ihr eine E-Mail schreiben sollen, bevor ich hierher kam. Aber so hat unsere Freundschaft noch nie funktioniert. Wenn wir räumlich getrennt sind, kommunizieren wir kaum. Wenn wir uns dann wiedersehen, herrscht sofort eine Vertrautheit, als wären wir nur wenige Stunden getrennt gewesen.
    »Einen Augenblick, bitte, sie kommt sofort«, sagte mir die Telefonistin.
    Während ich wartete, erinnerte ich mich an meine erste Begegnung mit Emma Rousseau.
    Acht Jahre war das her. Ich war Gastdozentin am College of Charleston. Emma, von der Ausbildung her eigentlich Krankenschwester, war eben zum Coroner des Charleston County gewählt worden. Sie hatte in einem Skelettfall die Todesart als »unbestimmbar« definiert, und die Familie zog diesen Befund in Zweifel. Da sie nun ein externes Gutachten brauchte, mich unbedingt als Gutachterin wollte, aber Angst hatte, ich würde ablehnen, schleppte Emma die Knochen in einer großen Plastikwanne in meine Vorlesung. Beeindruckt von so viel Mut, war ich bereit gewesen, ihr zu helfen.
    »Emma Rousseau.«
    »Ich hab da einen Mann in einer Wanne, der dich zum Sterben gern kennen lernen würde.« Schlechter Witz, aber zwischen uns fast schon ein Erkennungszeichen.
    »O Mann, Tempe. Du bist in Charleston?« Emmas Vokale waren nicht ganz so gut wie Honeys, aber sie kamen ihnen verdammt nahe.
    »Irgendwo in deinem Eingangsstapel muss eine telefonische Nachricht von mir liegen. Ich leite gerade ein archäologisches Ausgrabungsseminar auf Dewees. Wie war Florida?«
    »Heiß und feucht. Du hättest Bescheid sagen sollen, dass du kommst. Ich hätte den Urlaub auch verschieben können.«
    »Wenn du dir freigenommen hast, dann hattest du es sicher nötig.«
    Darauf erwiderte Emma nichts. »Warum gräbst du eigentlich hier? Ist das nicht Jaffers Revier?«
    »Dan ist nicht im Lande.«
    »Hast du Miss Honey schon kennen gelernt?«
    »O ja.«
    »Ich liebe diese alte Dame. Noch immer voller Schwung und Witz.«
    »Das ist sie wirklich. Hör mal, Emma. Kann sein, dass ich hier ein Problem habe.«
    »Schieß los.«
    »Jaffer hat mich auf dieses Gelände gebracht, weil er dachte, es könnte eine Begräbnisstätte der Sewee sein. Er hatte Recht. Seit dem ersten Tag finden wir Knochen, aber es ist typisch präkolumbisches Zeug. Trocken, ausgebleicht, viel postmortale Schädigung.«
    Emma unterbrach mich nicht mit Fragen oder Bemerkungen.
    »Heute Morgen haben meine Studenten in knapp fünfzig Zentimetern Tiefe eine frische Bestattung entdeckt. Die Knochen sehen intakt aus, die Wirbel sind durch Bindegewebe verbunden. Ich habe freigelegt, was mir sicher erschien, ohne den Fundort zu kontaminieren, dann dachte ich mir, ich sage lieber mal jemandem Bescheid. Ich weiß nicht genau, wer für Dewees zuständig ist.«
    »Wenn’s um ein Verbrechen geht, der Sheriff. Bei der Beurteilung eines verdächtigen Todesfalls könnte ich die Gewinnerin sein. Hast du irgendwelche Hypothesen?«
    »Keine, die irgendwas mit den alten Sewee zu tun hat.«
    »Du meinst, die Bestattung ist neueren Datums?«
    »Die Fliegen haben ’ne Kantine aufgemacht, als ich die Erde wegkratzte.«
    Pause. Ich konnte mir vorstellen, dass Emma auf ihre Uhr schaute.
    »Ich bin in eineinhalb Stunden bei dir. Brauchst du irgendwas?«
    »Einen Leichensack.«
     
    Ich wartete am Pier, als Emma in einem zweimotorigen Sea Ray ankam. Ihre Haare steckten unter einer Baseball-Kappe, und ihr Gesicht wirkte schmaler, als ich es in Erinnerung hatte. Sie trug eine Sonnenbrille von Dolce & Gabbana, Jeans und ein gelbes T-Shirt mit der schwarzen Aufschrift Charleston County Coroner.
    Ich sah zu, wie Emma Fender an die Bordwand hängte, an den Steg manövrierte und das Boot vertäute. Als ich am Boot war, reichte sie mir einen Leichensack heraus, nahm dann ihre Kameraausrüstung und stieg an Land.
    Im Golfkarren erzählte ich ihr, dass ich nach unserem Telefongespräch zur Ausgrabungsstätte zurückgekehrt war, ein schlichtes, drei mal drei Meter großes Planquadrat abgesteckt und ein paar Fotos geschossen hatte. Dann beschrieb ich detaillierter, was ich im Boden gesehen hatte. Und warnte sie, dass meine Studenten völlig aus dem Häuschen seien.
    Emma sprach wenig während der Fahrt. Sie wirkte irgendwie niedergeschlagen, abgelenkt. Vielleicht verließ sie sich
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