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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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des Gebäudes vor mir nicht entziehen. Die Gestalter des Huyler House wollten den Eindruck von Jahrzehnten von Sonne und Salzluft vermitteln. Verwittertes Holz. Natürliche Verfärbungen. Obwohl das Haus noch nicht einmal zehn Jahre stand, sah es aus wie ein historisches Denkmal.
    Das genaue Gegenteil traf auf die Frau zu, die jetzt durch eine Seitentür trat. Althea Hunneycut »Honey« Youngblood sah alt aus, war vermutlich aber uralt. Einer lokalen Legende nach war Honey Zeugin der Übereignung Dewees’ an Thomas Cary durch King William III. im Jahre 1696 gewesen.
    Honeys Geschichte ist Thema ausufernder Spekulationen, aber in gewissen Punkten stimmen die Inselbewohner überein. Zum ersten Mal besuchte Honey Dewees als Gast der Familie Coulter Huyler vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Huylers führten dort ein ziemlich spartanisches Leben, seit sie die Insel 1925 erworben hatten. Kein Strom. Kein Telefon. Ein von einer Windmühle angetriebener Brunnen. Nicht gerade das, was ich mir unter Erholung am Strand vorstelle.
    Honey kam damals mit einem Ehemann, wobei die Meinungen auseinander gehen, welchen Rang dieser Gentleman in der Abfolge ihrer Herrenbekanntschaften tatsächlich bekleidete. Als dieser Gatte starb, kam Honey dennoch immer wieder und heiratete schließlich in die Familie R.S. Reynolds ein, der die Huylers ihren Besitz 1956 verkauft hatten. Genau. Die Aluminium-Dynastie. Danach konnte Honey tun und lassen, was sie wollte. Sie beschloss, auf Dewees zu bleiben.
    Die Reynolds verkauften ihren Grund 1972 an eine Investment-Gesellschaft, und im darauffolgenden Jahrzehnt wurden die ersten Privathäuser gebaut. Honeys war das erste, ein kompakter, kleiner Bungalow über Dewees Inlet. Nach der Gründung der IPP, der Island Preservation Partnership, des örtlichen Naturschutzvereins, wurde Honey dessen ansässige Naturkundlerin.
    Kein Mensch wusste, wie alt sie wirklich war. Honey ließ sich darüber nicht aus.
    »Wird ’n Heißer heute.« Honey eröffnete jedes Gespräch unweigerlich mit einem Kommentar zum Wetter.
    »Ja, Miss Honey. Sieht ganz so aus.«
    »Schätze, wir schaffen’s heute über dreißig.« Honey war eine Meisterin südstaatlicher Aussprachevarianten, und viele ihrer Silben nahmen zumindest für auswärtige Ohren ein Eigenleben an. Bei unseren vielen Unterhaltungen hatte ich gemerkt, dass das alte Mädchen mit den Vokalen spielen konnte wie sonst kaum jemand.
    »Das glaube ich auch.« Mit einem Lächeln versuchte ich, an ihr vorbeizueilen.
    »Gott und allen seinen Engeln sei Dank, dass es Klimaanlagen gibt.«
    »Ja, Ma’am.«
    »Ich grabt doch da drüben bei dem alten Turm, nicht?«
    »Ganz in der Nähe.« Der Turm war während des Zweiten Weltkriegs zur U-Boot-Überwachung gebaut worden.
    »Schon was gefunden?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Großartig. Wir könnten ein paar neue Exponate für unser Naturkundezentrum gebrauchen.«
    Aber nicht diese Art von Exponaten.
    Ich lächelte und versuchte noch einmal, an ihr vorbeizukommen.
    »Ich komme in den nächsten Tagen mal vorbei.« Die Sonne ließ die blau-weißen Locken aufleuchten. »Muss mich doch auf dem Laufenden halten, was auf der Insel so passiert. Habe ich Ihnen schon erzählt –«
    »Bitte verzeihen Sie, aber ich habe es ziemlich eilig, Miss Honey.« Ich fertigte sie nur höchst ungern so ab, aber ich musste wirklich dringend zu einem Telefon.
    »Natürlich. Wo sind nur meine Manieren geblieben?« Honey tätschelte meinen Arm. »Sobald Sie mal frei haben, fahren wir zum Fischen. Mein Neffe wohnt jetzt hier, und er hat ein klasse Boot.«
    »Wirklich?«
    »Natürlich, hab’s ihm ja selbst geschenkt. Kann zwar selber nicht mehr so am Ruder stehen wie früher, aber ich fische immer noch gerne. Ich ruf ihn an, und wir fahren raus.«
    Und damit schritt Honey den Pfad entlang, den Rücken gerade wie eine Weihrauchkiefer.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief ich auf die Veranda und ins Gemeindezentrum. Es war verlassen, wie alle anderen öffentlichen Gebäude.
    Wussten die Einheimischen etwas, das ich nicht wusste? Wo waren sie nur alle?
    Ich betrat das Büro, ging zum Schreibtisch, wählte die Auskunft und tippte dann die Nummer ein, die man mir genannt hatte. Nach dem zweiten Läuten meldete sich eine Stimme.
    »Charleston County, Büro des Coroners.«
    »Temperance Brennan hier. Ich habe vor ungefähr einer Woche angerufen. Ist der Coroner inzwischen zurück?«
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Ich hatte Emma Rousseau kurz nach meiner Ankunft in
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