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Halloween

Halloween

Titel: Halloween
Autoren: Stewart O'Nan
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sie miteinander ringen, wirbelt der Große herum und geht auf Brooks los, und plötzlich haben beide ihn fest an der Jacke gepackt, und seine Arme sind an den Körper gepresst, sodass er nicht an das Mikrofon an seiner Schulter rankommt. Er umklammert seine Pistole (das Holster ist noch zugeknöpft), tastet nach seinem Pfefferspray. Sie drängen ihn zurück, zwei Defensivspieler, die einen Runningback traktieren; er schlägt sich den Knöchel an und verliert den Halt, und die drei wälzen sich am Boden, Knie und Füße und Ellbogen.
    (Schnapp sie dir, Brooksie! Mach sie fertig!)
    Er wehrt sich mit allem, was er hat, aber der Große ist noch jung und liegt schließlich auf ihm, der Kleine konzentriert sich auf einen Arm. Brooks macht sich bereits Vorwürfe, denkt, dass er nicht so lax hätte vorgehen dürfen. Wenn er an seinen Schlagstock oder seine Taschenlampe rankäme, hätte er eine Chance, könnte einfach um sich schlagen, bis er einen Knochen trifft, aber sie prügeln beide auf ihn ein, und er kann sich bloß decken. Er kann die anderen Leute nicht hören, das heißt, dass sie Angst haben. Niemand wird ihm helfen, also ist es sinnlos, zu schreien. Finger greifen nach seinem Gürtel. Jemand packt ihn an den Eiern – diese Scheißkerle! –, seine Eingeweide drohen zu platzen, und er hat das Gefühl, er muss sich übergeben. Nochmal, und er kann kaum noch was sehen, die Welt verschwimmt vor seinen Augen; er hört sich jämmerlich würgen. Seine Hände wollen den Schmerz lindern. Der Kampf ist vorbei, jetzt geht es nur noch darum, ob er die Tritte überlebt, die sie ihm versetzen. Er ist wehrlos, seine Pistole ungeschützt. Er denkt daran, dass Melissa die Versicherungssumme kriegt, und findet das Ganze gerecht,denkt, es ist vielleicht die Sühne für das, was passiert ist. Es ist saublöd; er hat bereits das Kennzeichen überprüft, hat den Führerschein des einen auf seinem Klemmbrett. Gleich wird er von den bescheuertsten Verbrechern der Welt umgebracht.
    Doch plötzlich lassen sie von ihm ab, verschwinden – wenn er Glück hat, laufen sie zum Wagen. Der Typ hat vermutlich eine Waffe.
    «Gesicht auf den Boden!», befiehlt ihm jemand. «Arme seitlich ausstrecken.» Er bemüht sich, der Aufforderung nachzukommen, die Haltung eines Gekreuzigten einzunehmen, aber er spürt bloß den Schmerz im Unterleib, seine Arme und Beine sind aus Gummi. (Und da kommt Danielle, Brooks’ Engel, kniet sich neben ihn und legt ihm die Hand auf die Stirn.) Er sollte nicht aufblicken, aber er tut es, und da steht Saintangelo, die Pistole mit beiden Händen umfasst, und zielt wie John Wayne auf die Banditen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde ist er dankbar, aber dann denkt er: Das bringt mir jede Menge Ärger ein. Er muss einen Bericht schreiben und er befürchtet, wenn der Chef den zu sehen kriegt, streicht er ihm vielleicht die Extraschicht.
    «Alles in Ordnung mit dir?», fragt Saintangelo.
    «Jaa», sagt Brooks und schüttelt den Kopf, als würde es da drin klappern. Er zieht die Knie an den schmerzenden Körper und streckt die Beine wieder aus, befingert seine Zähne – nichts locker, kein Blut. Es sind bloß seine Eier, glühend heiß und dreimal so groß wie normal. «Was hast du denn so lange getrieben?»
    Saintangelo soll über den Witz lachen oder selber einen reißen (Ich hab’s gerade mit deiner Mutter getrieben), aber er fragt Brooks bloß, ob er Handschellen dabeihat, als hielte er ihn für völlig unfähig.
    Alle wissen, dass Brooks nicht mehr der Polizist ist, der er mal war. Brooks hat gedacht, er wäre bloß ein anderer Mensch, er könnte seine Arbeit noch immer bewältigen, aber das hier ist der Gegenbeweis.
    «Ich hab sie», sagt Brooks.
    «Dann nimm sie», sagt Saintangelo. «Die beiden gehören dir.»
     
    Wir verlassen Brooks auf dem Revier, wo er sich um die Schreibarbeit kümmert. Außer dem Summen der Ampeln ist auf der 44 alles still. Die Bars und die Mobil-Tankstelle sind geschlossen, nur Saintangelo lauert am Ausgang der Cider Mill Plaza. Die Seitenstraßen sind dunkel, Tiere springen über die gelben Linien, flitzen unter die Leitplanken, rascheln in den Blättern. Es ist die Zeit in der Nacht, wo man aufwacht und nicht weiß, wie spät es ist.
    Im Haus am Indian Pipe Drive schläft Kyle. Kyles Dad schläft. Sogar Kyles Mom schläft.
    Im Oxbow Drive schlafen meine Mom und mein Dad, zusammengekuschelt auf seiner Seite, als wollte sie ihn aus dem Bett drängen.
    Danielles Mom schläft im Nachthemd.
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