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HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi

HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi

Titel: HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
Autoren: Andreas Schmidt
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gewinnen können. Die Fahrt hatte durch viele malerische Ortschaften geführt, die auf bunt bemalten Schildern ihre Besucher „Herzlich willkommen“ hießen und zur Weinprobe einluden. Im Moseltal reihte sich ein Weindorf an das nächste, und eingebettet von Reben ragten steile Felsklüfte hinunter bis ins Tal. Ausflugsschiffe zogen auf dem Fluss ihre Bahnen, und Kaltenbach war eigentlich nicht nach Arbeiten zumute. Er drosselte das Tempo und verließ in einem schnittigen Bogen die Bundesstraße. Mit gemäßigter Geschwindigkeit drehte er zunächst eine Ehrenrunde durch das Dorf. Enge Gassen, verwinkelte Straßen, die von romantischem Fachwerk und üppigen Blumen gesäumt wurden, weckten Erinnerungen in ihm. Bernd fragte sich, wie lange er nicht mehr in Enkirch gewesen war. Es mussten fast zehn Jahre sein. Damals war sein Onkel gestorben, den sie alle nur den Sponheimer Spinner genannt hatten. Ein eigenbrötlerischer Typ, der sich als Lehrer in Traben-Trarbach seinen Lebensunterhalt verdient hatte. Mit der eingeschworenen Dorfgemeinschaft hatte er nichts am Hut gehabt, und als er tot im Ahringsbach gefunden worden war, hatte die Polizei vor einem Rätsel gestanden, denn der alte Kaltenbach war ermordet worden. Und natürlich hatten sich die Menschen im Dorf das Maul über den Mord zerrissen. Immer wieder hatte man „es musste ja mal so kommen“ hinter Kaltenbachs Rücken geraunt. Und Bernd hatte das Erbe, das ihm rechtmäßig zugestanden hatte, dankend abgelehnt. Was sollte er auch mit einem zweiten Haus? Er lebte in seinem windschiefen Fachwerkbauernhaus in Rossbach, das er sich selber saniert und eingerichtet hatte. Und nichts und niemand würde ihn von diesem Ort wegbewegen können.
    Bernd verdrängte die Erinnerungen so gut es ging. Rechter Hand gab es immer noch die kleine Pizzeria, dann folgte der Getränkehandel, in dem der Sponheimer Spinner sich immer versorgt hatte. Kaltenbach passierte das Restaurant „Dampfmühle“, dann führte sein Weg ins Oberdorf. Ein verwittertes Schild auf der linken Seite verkündete, dass er sich nun im Bezirk Sponheim befand. Eine alte Frau kehrte den Bürgersteig und blickte ihm mit misstrauischem Blick nach, bis er mit seinem Motorrad hinter der nächsten Kurve verschwunden war. Nachdem Bernd seine Ehrenrunde beendet hatte, wendete er die Honda und rollte ins Unterdorf zurück. Am Ortseingang gab es das Gemeindebüro. Kaltenbach fuhr also zum Brunnenplatz und stellte die Honda ab. Nachdem er Handschuhe und Helm abgestreift hatte, blinzelte er in die Sonne. Ein wenig steif marschierte er auf das Bürogebäude zu und stellte erfreut fest, dass es nicht geschlossen war. Kaltenbach fand sich in einer Art Wartezimmer wieder. Hinter einem Empfangstresen erblickte er eine Frau in seinem Alter. Sie bearbeitete eine Tastatur und blickte konzentriert auf den dazugehörigen Monitor.
    „Bin gleich bei Ihnen“, murmelte sie, ohne aufzublicken. Die Frau trug die rotblonden Haare pfiffig kurz, war durchaus hübsch und hatte ein dezentes Make-up aufgelegt, das ihre grünen Augen vorteilhaft betonte. Dass er Bettina ausgerechnet hier wiedersehen würde, hatte er nicht erwartet. Aber er gab sich Mühe, seine Überraschung zu unterdrücken.
    „Ist gut.“ Bernd trat näher und beobachtete sie amüsiert. Die obersten Knöpfe ihrer karierten Bluse standen offen und gewährten ihm einen tiefen Einblick. Das, was der dünne Stoff ihrer Bluse kaum zu bändigen vermochte, kannte er bereits seit Langem. Er betrachtete sie und stellte fest, dass die irgendwie traurig wirkte. Ihr hübsches Gesicht war starr wie eine Maske, und das Make-up schaffte es kaum, die dunklen Ringe unter ihren Augen zu kaschieren. Kaltenbach spürte, wie das schlechte Gewissen in ihm aufstieg. Lag das alles noch an damals? An ihm? War sie nach all den Jahren noch nicht darüber hinweggekommen, dass er sie einfach so verlassen hatte?
    Es verging eine knappe Minute, bis Bettina Bender zu ihm aufblickte. Als sie erkannte, wer vor ihr stand, wurden ihre Augen groß. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und warf ihn dabei fast um. „Bernd?“, fragte sie. „Bist du es wirklich?“
    „Es scheint so“, nickte er mit einem jungenhaften Grinsen. Die Selbstzweifel waren verfolgen. „Kannst mich ja kneifen, wenn du deinen Augen nicht traust.“
    „Unsinn!“ Sie umrundete den Tresen und drückte ihn herzlich. Als sie zu ihm aufblickte, schien es Bernd, als blicke sie bis tief in seine Seele. Ihre Miene war ernst geworden. „Du
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