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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
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berichtete fröstelnd und mit einer kurzen Kopfbewegung in Richtung Hotelzeile, dass sie drüben im Lindauer Hof sitze und gerade einen heißen Milchkaffee trank. Viel mehr als das, was sie schon gesagt hatte, würde man von ihr nicht erfahren.
    Schielin zog den Kragen der Jacke fester an den Hals und blickte um sich. Ein paar neugierige Gestalten standen vorne am Hafengeländer neben dem Mangturm und lugten herüber. Es waren nur die dunklen Umrisse zu erkennen und trotzdem drang die Neugier dieser Gestalten bis hierher.
    Die Fassaden der Holzhütten für die Hafenweihnacht wirkten in ihrer Einsamkeit fremd und unwirklich, wie eine Geisterstadt mitten im Hafen.
    Der Lkw der Feuerwehr hatte den Motor laufen, wegen des Lichtmasten, der mit Strom versorgt werden musste und wegen der Heizung. Das gleichbleibende Brummen des schweren Diesels beruhigte. Ab und zu taumelte eine einsame Schneeflocke zu Boden.
    Sie standen am Eisengeländer und starrten hinüber zum Zelt, unter dem der Festgefrorene lag. »Es könnte ja auch ein Unfall gewesen sein«, stellte Schielin nüchtern fest und meinte es doch als Frage für seine beiden Kollegen.
    Wenzel zog eine skeptische Grimasse. »Schwer zu sagen im Moment. Wir wollen mal sehen, ob wir unter dem Toten eine Aufschlagstelle finden können.«
    Lydia Naber schüttelte den Kopf. »Also an den Geländern rundherum waren keine Spuren von Blut zu erkennen und auch nicht an den umgeklappten Dingern da.« Sie wies auf die metallenen, rotweiß markierten Ständer, die in der Schifffahrtssaison die Aufgabe hatten, die ein- und aussteigenden Massen von Ausflüglern zu sortieren, jetzt aber flach in der Mitte des Stegs lagen. »Die Dinger haben scharfe Kanten, aber da war nichts zu finden, jedenfalls unter den Bedingungen, unter denen ich da gesucht habe nicht. Das werden wir schon noch genauer nachholen und bei besserem Licht. Ich halte es aber aus einem bestimmten Grund für ausgeschlossen, dass er gestürzt und am Boden mit dem Kopf aufgeschlagen ist. Diese Aufprall- oder Aufschlagstelle passt nicht zu einem Sturz, denn sie liegt oberhalb der berühmten Hutkrempe und dann auch noch auf der linken Schädelseite über dem Ohr. Wenn er gestürzt wäre, müsste sich die Verletzung im Bereich der unteren Schädelhälfte befinden. Im ersten Augenblick, als ich hierhergekommen bin, dachte ich ja auch, vielleicht war er betrunken, ist getorkelt oder gerutscht und daraufhin ins Wasser gefallen, hat sich wieder rausgerappelt, irgendwie, und ist letztendlich hier gestorben – entkräftet, erfroren.
    Die Reihenfolge kann ja variieren, aber wie gesagt, das passt nicht zu der Verletzung. Die Einwirkung kam von oben. Und dann das Geländer. Er muss entweder über das Geländer ins Wasser gelangt sein, oder an den Durchlässen, die zu den Liegeplätzen führen. Also im Moment passt alles gar nicht zusammen – nicht, wie er da liegt, wo er liegt und wie er verletzt ist und dass er tot ist. Passt alles nicht zusammen.«
    Schielin stimmte Lydias Analyse zu. »Diese nasse Kleidung, dieser Eismantel und die Schneeschicht. Kann es vielleicht sein, dass diese Nässe vom Regen herrührt, der gestern Nacht gefallen ist?«
    Wenzel schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Soweit ich das bisher feststellen konnte, ist er komplett durchweicht … er muss im Wasser gewesen sein. Das kann der Regen alleine nicht zustande bekommen haben.«
    »Mhm. Eigentümliche Geschichte, aber gut, wir gehen also von einem Schlag aus«, stellte Schielin fest.
    »Na dann frohe Hafenweihnacht …«, kam es von Wenzel, der sich aus der kleinen Runde entfernte, um den Zeltaufbau zum endgültigen Abschluss zu bringen. Im gleichen Moment schoben die Feuerwehrler den Heizlüfter samt Gasflasche in Richtung Steg.

    Schielin zog eine Grimasse. Ja genau, frohe Hafenweihnacht – er hätte es fast vergessen, am heutigen Abend sollte die Hafenweihnacht eröffnet werden.
    Er wandte sich an Lydia. »Als ich vorhin aus dem Haus gegangen bin, da lag bereits eine feine Schicht Schnee, so wie hier im Hafen auch. Jetzt sieht natürlich alles zertrampelt aus, aber haben wir einen Status der Spurenlagen zum Zeitpunkt des Auffindens?«
    Lydia richtete ihr Stirnband neu aus, um dem Wind keine Angriffsfläche zu bieten, gegen die er die Kälte hätte treiben können. »Es führten keine Schritte hin zu ihm und keine zurück. Das wissen wir von der Putzfrau. Zumindest das konnte sie uns sagen. Sie hatte selbst an der unberührten Schneefläche gesehen, dass
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