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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
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seiner Winterjacke hoch und wollte sich das jetzt aus der Nähe ansehen. Am Eingang des Stegs, wo Eisengeländer und Klappbarken ein Labyrinth bildeten, dort wo an Platz 5 die Ausflugsschiffe anlegten, machte er sich bei Lydia bemerkbar. Die löste sich sofort von den Feuerwehrleuten. Sie ächzte, als sie bei ihm ankam und versteckte ihre Hände in den Ärmeln ihrer Jacke. »Ohhh. Diese elende Kälte. Und alles hier, gleich wo du hinkommst, ist entweder aus Metall oder aber aus Metall, und das alles mitten im Wasser, schrecklich, wo du auch hinlangst, meinst du sofort festzufrieren. Ah, grausig. Ich habe die Plastikhandschuhe schon weggeschmissen, die helfen erstens gegen die Kälte nicht und zweitens kleben sie überall fest. Das Thermometer drüben am Mangturm zeigt acht Grad minus, was an und für sich ja noch ginge, doch dieser elende Wind macht Sibirien draus!«
    Schielin schwieg und sah zu, wie vier der Feuerwehrleute damit befasst waren, unter Wenzels Anleitung das Zelt aufzubauen.
    Lydia Naber war seinem Blick gefolgt und erklärte: »Blöde Sache. Die Putzfrau vom Finanzamt hat ihn zuerst entdeckt. Er lag da auf der Mole, ganz von diesem feinen Hauch Schnee bedeckt. Ein Mann, so um die vierzig, hat eine Verletzung am Schädel, oberhalb des rechten Ohres. Es ist aber kaum Blut zu sehen … komische Sache … vielleicht wegen der Kälte. Wir bauen ein Zelt über der Leiche auf, um in Ruhe Spuren sichern zu können.«
    »Erschlagen?«, fragte Schielin, der sich noch immer nicht so recht erklären konnte, was Wenzel mit diesem Zelt beabsichtigte, das am Steg aufgebaut wurde.
    Lydia Naber zuckte die Schultern. »Können wir noch nicht sagen. Das ist eine schwierige Situation da vorne.«
    Schielin kniff die Augen zusammen, sah Lydia fragend an und überlegte sich, was an der Situation bloß so schwierig war. Er fragte: »War denn der Doktor noch nicht da?«
    »Sicher, aber er ist schon wieder gefahren.«
    »Schon wieder gefahren?«, wiederholte Schielin irritiert. Wieso war der Doktor schon wieder gefahren, wenn da draußen auf dem Steg ein Toter lag? Es dauerte schließlich seine Zeit, bis eine Leiche einer gründlich Untersuchung unterzogen worden war, und sobald das erledigt war, dann hatte man sich noch immer an Ort und Stelle über die ersten Ergebnisse unterhalten, erste Schlüsse gezogen, den Tatablauf versucht zu skizzieren. Wieso war das hier nicht möglich? Er schüttelte unmerklich den Kopf und beobachtete kommentarlos den fortschreitenden Zeltaufbau. Er war gerade erst gekommen und verschaffte sich einen Überblick – da kam man nicht mit klugen Sprüchen und Vorschlägen daher.
    Lydia rückte nun endlich mit der Sprache raus. »Na ja.
    Der Doktor konnte nichts machen, denn der Tote da draußen … der ist auf der Stegplatte festgefroren. Seine Klamotten sind ein einziger Eisblock und die Haare, und glaube mir Conrad, er hat lange Haare, wirklich sehr lange Haare für einen Mann, die sind mit dem Boden wie verschweißt. Man kann ihn nicht mal ein Stück drehen, es würde die Haut aufreißen und wir müssen vorsichtig sein. Wie gesagt, er hat eine Kopfverletzung, soweit man das erkennen kann …«, sie stöhnte und sah hinauf zur markanten Spitze des Mangturms, als wäre von dort oben Erkenntnis zu erwarten, »… deshalb auch das Zelt. Wir wollen versuchen ihn, na ja … loszueisen … sozusagen. Ein blödes Wort in diesem Zusammenhang, aber genau so ist es. Ich hoffe nur, dass diese Kälte etwas nachlässt, wenn es endlich hell wird. Ich bin schon völlig durchgefroren und dieser trübe Morgen und der Tote da draußen in seinem Eismantel … es ist schrecklich. Ich hatte mich schon auf das ein oder andere Glas Glühwein gefreut … hier herunten im Hafen, wenn die Hafenweihnacht eröffnet ist … und jetzt das!«
    Schielin war inzwischen losgegangen, denn er wollte mit eigenen Augen sehen, was seine Kollegin ihm geschildert hatte. Sie blieb an seiner Seite, nicht ohne ihn darauf hinzuweisen, dass er wegen der hinterhältigen Glätte vorsichtig sein solle.

    Wenzel winkte ihm zur Begrüßung zu. Er hatte ein Handy am Ohr und sprach mit jemandem, der offensichtlich nicht so schnell reagierte wie Wenzel das wünschte, denn er rollte mit den Augen, sein ganzer Körper war in Unruhe und er sprach gepresst und mit unterdrückter Lautstärke mehrmals: »Jaa-a, ja, jaaa!«
    Ein kurzer Blick, eine Bewegung der Hand, die entsprechende Körperhaltung – mehr war für Schielin an Kommunikation mit Wenzel nicht
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