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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
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da niemand vor ihr gewesen war, und weil es so glatt war, hat sie sich hier am Geländer entlanggehangelt. Die Streife, die zuerst da war, hat das bestätigt – keine Spuren im Schnee, außer den Tapsen der guten Frau.«
    »Gut. Dann werde ich mich mal darum kümmern, wann es heute Nacht zu schneien angefangen hat. Da drüben in einem der Hotels wird schon ein Portier oder Nachtwächter etwas darüber sagen können. Was haben die schon nachts anderes zu tun, als in den Sternenhimmel zu gucken. Eigentlich ein Traumjob, nicht wahr. Zusammen mit den Daten der Wetterstation von Bad Schachen müssten wir ein halbwegs genaues Zeitmuster zusammenbekommen.«
    Lydia rieb die Hände und ließ ihre Schultern kreisen, um warm zu werden. »Keiner von denen, die ihn bisher gesehen haben, kennt ihn. Sobald wir ihn aufgetaut haben, kommen wir an seine Klamotten ran und können die endlich durchsuchen. Er wird ja hoffentlich einen Geldbeutel mit einer Scheckkarte dabeihaben, oder irgendwas in der Art. Aber im Moment … Fehlanzeige.«
    »Ja, dann müssen wir eben noch abwarten«, entgegnete Schielin grüblerisch. Sein Blick glitt über den Steg hin zur Hafenmauer und blieb am Segelmast einer einsam am Steg dümpelnden Jacht hängen. Er wies mit dem Kopf in die Richtung. »Die schwimmende Hotelsuite des Hotels Helvetia … ich meine es ist höchst unwahrscheinlich, dass jemand bei dieser Kälte auf der Jacht übernachtet, aber ganz ausschließen kann man heutzutage nichts mehr …«
    Lydia kramte ein Papiertaschentuch aus der Jackentasche.
    »Nein, da hat niemand übernachtet. Habe ich schon überprüft.«
    Schielin wusste fürs Erste genug. Er nahm die befremdende Szenerie um den Steg wahr, wo unter dem rücksichtslosen Strahlen der Scheinwerfer alle Beteiligten ihrer Arbeit still nachgingen. Plötzlich fuhr er zusammen und auch Lydia erschrak. Aus dem Schutz der Dunkelheit vom Hotel Lindauer Hof her drangen die blechernen und ungeübten Töne einer Trompete. Deutlich war das Motiv der Melodie zu erkennen, das zweimal hintereinander angesetzt wurde, mit fehlender Punktion und ganz außer Takt, aber doch erkennbar: Oh, du lieber Augustin, Augustin, Augustin, oh, du lieber Augustin, alles ist hin.
    Schielin kniff die Augen zusammen und suchte nach dem Irren, der da an einem kalten Wintermorgen mit einer Trompete herumrannte. Im Licht der Straßenlampen war ein mattes Blitzen zu erkennen, und eine Gestalt, die sich langsam bewegte.
    Lydia fluchte und schimpfte: »Der schon wieder! Habe ihn vorhin erst fortgejagt, jetzt rennt er schon wieder hier herum. Welcher Idiot hat ihm nur eine Trompete gegeben. Das gibt’s doch nicht!«
    Schielin erkannte im Schatten die ungelenken Schritte des Trompeters, der hinter dem Kiosk des winterschläfrigen Eiscafés verschwand.
    Lydia drehte sich um und ging in Richtung Platz 5 davon. »Kümmere du dich um deinen Freund. Ihr seid ja sowieso speziell miteinander.«
    Schielin wollte ihr etwas entgegnen, denn er fand überhaupt nicht, mit dem Josef speziell zu sein. Er nahm sich nur ab und an einmal Zeit mit ihm ein paar Worte zu wechseln und die zwei oder drei Mal, in denen er eine den Josef betreffende Angelegenheit, die bis zur Polizei geraten war, wohlwollend erledigt hatte, hatte mit speziell gar nichts zu tun. Es wäre einiges gewesen, was er zu seiner Rechtfertigung hätte anführen können, doch Lydia war schon zu weit entfernt und die Situation rundherum hemmte ihn, ihr laut nachzurufen.
    Hinter dem Kiosk fand er Josef, der frierend auf der Stelle trat, so als hätte er ihn bereits erwartet.
    Viel mehr als mit der Frage, wer dem Josef die Trompete gegeben haben konnte, war Schielin damit beschäftigt, wer die Geduld aufgebracht hatte, ihm diese Melodie beizubringen.
    Josef lachte, als er Schielin erkannte und fragte: »Oh, der Ahsel, ist der Ahsel auch da, hm?«
    Schielin sprach milde: »Der steht droben auf der Weide und ist mucksmäuschenstill, so wie es sich gehört in der Früh und in der Adventszeit. Und du trompetest hier herum. Das geht doch nicht, Josef. Erschrickst doch die Leut.«
    »Ah, geht schon, Musik geht für die Seele«, lautete die Antwort.
    Wo er den Spruch wohl herhatte. Er schaute Schielin zwar skeptisch an und war einen Schritt von ihm zurückgetreten und stand da und schwankte unruhig. Trotzdem gab er die Trompete in Schielins fordernd ausgestreckte Hand. Es war ein altes, verbeultes Instrument, das eine dicke Patina angesetzt hatte. Trotz der Kälte liefen die Ventile ganz
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