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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
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reden, noch heute, verstanden!«
    Zuger würgte und gurgelte. Es ging ihm gar nicht gut. Trotzdem empfand Schielin kein Mitleid.

    Alle hatten den dramatischen Auftritt mitbekommen. Kimmel war mit Robert Funk und Wenzel vor Gommis Büro in leises Gespräch vertieft. Lydia Naber stand zusammen mit Britta Drohst im Gang und beiden hatten entgeistert zugesehen, wie er mit Zuger vorbeigeschossen war; anschließend war das laute Knallen der Klotüren zu vernehmen.
    Erich Gommert baute die Aufregung, die ihn erfasst hatte, mit einer Routinehandlung ab. Er ging in den Besprechungsraum und kochte Kaffee. Aber niemand wollte jetzt Kaffee.
    Doktor Hagen war im Türrahmen stehen geblieben und ließ Schielin strenge Blicke folgen. So etwas hatte er noch nicht erlebt. In dieser Weise hatte ein Polizist noch nicht mit ihm geredet. Er musste sich sehr, sehr sicher sein und sein Mandant hatte ihm etwas verschwiegen. Geheimdienst – das war etwas, womit seine Kanzlei bisher nichts zu tun hatte und auch nichts zu tun haben wollte. Doch wie kam man aus dieser Sache nur heraus?

    Lydia Naber entschied sich angesichts der explosiven Stimmung, mit Britta Drohst in ihr Büro zu gehen, das seiner Randlage wegen im Moment geeignet war. Sie schloss die Tür, rückte den schlichten Besucherstuhl zurecht, der seitlich der beiden Schreibtische stand und nahm Mantel und Schal entgegen, die Britta Drohst verlegen in den Händen hielt.
    Draußen war es dunkel geworden. Der Nebel war kaum lichter geworden, was den Scheinwerfern und Leuchten ein milchiges Erscheinungsbild und glitzernde Höfe verschaffte.
    Nach der Aufregung zuvor, erschien das Büro als stiller und friedlicher Ort.
    Britta Drohst saß ermattet auf dem Stuhl und sah ins Leere. Es war Lydia Naber angenehm, ihr nicht frontal gegenüberzusitzen, weil es ihr intensive Blicke auf diese Frau ermöglichte, ohne dass es auffiel.
    Britta Drohst war in den wenigen Tagen erschreckend gealtert, was sich Lydia Naber kaum hätte vorstellen können. Die kleinen Falten in ihrem bleichen Gesicht warfen gelbe Schatten und sie wirkte mager und entkräftet. Ihre Schulterknochen drückten die kantigen Formen selbst durch den dunkelgrünen Wollpullover ab. Der bissige Zug um ihren Mund war verschwunden.
    Die Frage, ob sie einen Kaffee oder ein Glas Wasser wollte, verneinte sie. Dabei sah sie kurz auf, streifte Lydia Nabers freundliche Augen und sah erschrocken wieder in die Leere über Schielins Schreibtisch.
    Lydia Naber wusste nicht so recht, worüber sie mit ihr sprechen sollte. Das wäre eigentlich der Job von Robert Funk oder Schielin gewesen, aber irgendwie war diese Frau an ihr hängen geblieben. Für einen kleinen Augenblick zuckte Ärger in ihr auf, denn eine zickige Blondine, oder rassige Schwarzhaarige, die hätte sich Funk sofort in seinen Salon mit den schweren Sesseln, Teppichen, Ölbildern und Sideboards geholt. Doch es war nur ein kurzer, unbedeutender Reflex, der sie da heimgesucht hatte.
    Sie fragte, wie weit die Angelegenheiten die Beerdigung betreffend schon erledigt seien. Ein Unternehmen würde sich darum kümmern, erfuhr sie.
    Sie wusste nicht so recht weiter. Schielin war es, der eine bestimmte Frage an diese Frau hatte und sie tat sich mit einem Gespräch schwer. Sollte sie vielleicht das Gespräch auf diese Gerechtfertigten bringen? Wieso eigentlich nicht.
    »Ihre Familie war in einer religiösen Gruppe engagiert – den Gerechtfertigten, wie sie sich nennen.«
    Britta Drohst nickte ins Leere.
    »Haben Sie noch Kontakt zu diesen Leuten? Es gibt da einen … einen Prediger.«
    Britta Drohst schüttelte den Kopf.
    »Ihr Bruder vielleicht?«, gab Lydia Naber nicht auf, die sich bemühte, ihre Stimme nicht streng, sondern plaudernd erscheinen zu lassen.
    »Nein, das wohl nicht«, kam es leise.
    »Wir haben den Eindruck, diese Gerechtfertigten, sie hatten Interesse an Ihrem Elternhaus in Nonnenhorn und wir haben vereinzelte Aussagen, es gab Schwierigkeiten in der Erbregelung, vor allem das Haus betreffend.«
    Britta Drohst schüttelte den Kopf, sprach leise und dehnte das »Nein«.
    Lydia Naber hatte die Fingerspitzen ihrer Hände aufeinandergelegt und berührte mit der halb gefalteten Hand Lippen und Nase, beobachtete dabei das gleichmütige Gesicht dieser Frau, die einen so jämmerlichen Eindruck vermittelte.
    »Wie war das früher?«, fragte Lydia Naber, »sie lebten mit Ihrem Bruder ja in gewisser Weise getrennt von Ihren Eltern.«
    Britta Drohst neigte bedächtig den Kopf, als
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