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Haarmanns Kopf

Haarmanns Kopf

Titel: Haarmanns Kopf
Autoren: Roy Ebstein
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und taxierte den Fragesteller. „Herr Kettner, Sie sind ja bekannt für Ihre unkonventionellen Methoden. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen haben. Aber auch die Göttinger Morgenpost wird sich noch etwas gedulden müssen. Wir müssen den Obduktionsbericht abwarten, um die Frage beantworten zu können.“
    „Ist es richtig, dass der Kopf des Serienkillers Haarmann gestohlen wurde?“, fragte Kettner. „Und steht das in direktem Zusammenhang mit dem Mord?“
    Ein Raunen ging durch den Saal.
    Thimm legte beruhigend seine Hand auf Martins Unterarm und deutete damit an, dass er die Frage beantworten wollte.
    „Es ist richtig, dass der Kopf derzeit nicht auffindbar ist. Ob das Verschwinden in direktem Zusammenhang mit dem Mord zu sehen ist, können wir momentan nicht beantworten.“
    Das Getuschel im Raum wurde lauter und es breitete sich Unruhe aus.
    Thimm erhob sich mit einer beruhigenden Geste von seinem Platz und sagte laut: „Meine Damen und Herren, ich kann sehr gut verstehen, dass Sie sich die Frage stellen, warum wir überhaupt die Pressekonferenz zu diesem Zeitpunkt einberufen haben.“
    Die Geflüster im Raum verstummte langsam und Thimm machte geschickt eine rhetorische Pause, bis sich alle beruhigt hatten.
    „Die meisten von Ihnen werden wissen, dass wir – soweit das unsere Ermittlungsarbeit zulässt – ein sehr offenes Verhältnis zu den Medien pflegen. Und das ist auch in dem aktuellen Fall nicht anders. Es war uns wichtig, Sie so früh wie möglich zu informieren und einzubeziehen, um zu verhindern, dass Halbwahrheiten und falsche Informationen auf anderen Wegen zu Ihnen gelangen. Sie können versichert sein, dass wir uns in Kürze wieder melden und eine erneute Konferenz durchführen. Für den Moment war es das. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verständnis.“
    Thimm verließ das Podium und ging auf Kettner zu.
    „Auf ein Wort, Herr Kettner“, sagte er, fasste den Journalisten am Arm und zog ihn ein Stück zur Seite. „Sie würden uns und sich selbst einen großen Gefallen tun, wenn Sie sich mit Ihren voreiligen Schlussfolgerungen ein bisschen zurückhalten würden. Das ist im Moment wenig hilfreich. Sie verstehen?“
    „Ich verstehe Sie sehr gut, Herr Thimm“, antwortete Kettner. „So hat jeder mit seinen Problemen zu kämpfen. Ihr Chef bittet Sie um schnelle Aufklärung, mein Chef bittet mich um eine gute Story.“ Kettners breites Grinsen legte seine von Nikotin und Teer gelb gefärbten Zähne frei. „Und was brauchen wir beide? Richtig: eine gute Quote.“
    Er verabschiedete sich und wandte sich dem Ausgang zu.
    Thimm rief ihm hinterher: „Herr Kettner, haben wir uns verstanden?“
    Kettner drehte sich nicht mehr um. Er hob lediglich die Hand und winkte kurz, bevor er den Raum verließ.

3

 
    Der Sezierraum 2 der Gerichtsmedizin Göttingen war nur schwach beleuchtet. Lediglich das Kunstlicht der Operationslampe, das auf den nackten Männerkörper im Zentrum des Seziertisches gerichtet war, verstärkte mit seinem bläulichen Ton die kalte Atmosphäre des weiß gefliesten Raums und spendete gerade so viel Licht, dass Martin und Yannik nicht gegen einen der anderen Tische stießen, als sie den Raum durchschritten. Ein metallischer, süßlicher Geruch breitete sich über der Leiche aus. Der Korpus wurde im Brust- und Bauchbereich von einem dicken, nicht resorbierbaren Faden zusammengehalten, der sich in groben Stichen vom Hals abwärts bis zum Genitalbereich zog. Über den Hals verlief ebenfalls ein Schnitt.
    Martin hatte während seiner Zeit im K1 schon oft hier gestanden, doch auch heute beschlich ihn ein eigenartiges Gefühl. Eine Mischung aus Trauer und Melancholie. Aus einem Nebenraum ertönte ein Geräusch, so, als sei etwas zu Boden gefallen.
    „Dr. Ebeling?“, rief Martin.
    „Ja, ich komme gleich“, ertönte die Stimme des Rechtsmediziners.
    Kurze Zeit später betrat er den Raum, einen Schnellhefter in der Hand. „Guten Tag meine Herren“, begrüßte er die beiden Kriminalbeamten. „Schön, dass Sie vorbeischauen. Ich bin gerade mit dem Obduktionsbericht fertig geworden.“
    „Und zu welchen Erkenntnissen sind Sie gelangt?“, fragte Martin ungeduldig.
    Dr. Ebeling legte den Hefter auf einem Tisch im Seitenbereich ab und bat die beiden an den Seziertisch.
    „Auf jeden Fall kann ich Ihnen sagen, dass der Tod eindeutig durch Ersticken eingetreten ist. Und zwar gestern, also in der Nacht von Sonntag auf Montag, zwischen 2:00 Uhr und 3:00
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