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Haarmanns Kopf

Haarmanns Kopf

Titel: Haarmanns Kopf
Autoren: Roy Ebstein
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Speck,
    aus den Därmen macht er Würste und den Rest,
    den schmeißt er weg.

 
    Aus der Operette Marietta

 
    +++

1

 
    Die untergehende Sonne hatte den Strand in violettes Licht getaucht. Die letzten wärmenden Strahlen spiegelten sich in der dunklen See, die wie ein schwarzer, riesiger Spiegel vor ihm lag. Keine Wellen. Keine Gischt. Es herrschte absolute Ruhe.  
    Ein schwarzer Vogel – vermutlich ein Seerabe – störte nach einiger Zeit die Idylle und stieß laute, krächzende Laute aus, als er in ruhigem, gleichmäßigem Flug die Silhouette der Sonne passierte, um dann endgültig am Horizont zu verschwinden.
    „Martin!“
    Jemand rief seinen Namen.
    Dann noch einmal. „Martin!“
    Eine Hand berührte seine Schulter und rüttelte ihn.
    „Jetzt steh endlich auf, und geh an das verdammte Telefon.“
    Martin Venneker kam langsam zu sich und musste erkennen, dass sein Traum abrupt endete. Es war seine Frau Sabine, die ihn ebenso unsanft weckte. Er drehte sich zur Seite und griff instinktiv nach seinem Handy, das rechts von ihm auf dem Nachttisch lag. Noch halb benommen und mit seinen Gedanken an einem anderen Ort, verblasste die Erinnerung an seinen Traum mit jedem Atemzug.
    Adieu Karibik.
    Er drückte den grünen Button seines iPhones, um es dann schlaftrunken ans Ohr zu pressen.
    „Venneker“, gähnte er und warf einen flüchtigen Blick auf den Wecker neben ihm.
    Halb acht. Verdammt! Viel zu früh für einen Anruf. Und vor allem viel zu früh an einem Montagmorgen, um aufzustehen.
    Nach einem weiteren Gähnen fragte er: „Hallo. Wer ist denn da?“
    „Hier ist Yannik“, meldete sich eine Stimme. „Tut mir leid, dass ich dich störe. Aber deinen Zahnarzttermin wirst du verschieben müssen.“
    „Was ist los? Den Termin habe ich bereits vor Wochen vereinbart. Warum sollte ich den verschieben?“
    „Ich kann’s nicht ändern. Es gibt Arbeit für uns. Wir haben einen Toten in der Robert-Koch-Straße 40. Wie es so aussieht, handelt es sich um Mord.“
    „Robert-Koch-Straße 40? Das ist doch die Anschrift der Rechtsmedizin. Wieso ist der Tote schon dort? Und wo wurde er gefunden?“
    „Das ist ja das Verrückte. Im Keller des Gebäudes der Rechtsmedizin. Es handelt sich um den Pförtner. Ziemlich übel zugerichtet. Ich habe so etwas noch nicht gesehen.“
    Martin überlegte einen Moment und sortierte seine Gedanken. „Okay, verstehe. Ich werde mich gleich auf den Weg machen und den Zahnarzttermin absagen. Ich schätze, dass ich in circa dreißig Minuten vor Ort bin. Bis gleich.“
    Martin Venneker war Leiter des Fachkommissariats 1 der Polizeiinspektion Göttingen. Neben Tötungs-, Brand- und Sexualdelikten gehörten auch Geiselnahmen, Kindesmisshandlungen sowie Waffen- und Sprengstoffdelikte in das Aufgabengebiet des K1. Martin reckte sich noch einmal, bevor er sich auf die Bettkante setzte und mit seinen Füßen nach den Pantoffeln tastete.
    „Was ist denn los?“, fragte Sabine, die sich unter ihrer Bettdecke räkelte. Sabine war die zweite Ehefrau des Kriminalisten. Sie hatten im letzten Jahr ein Grundstück in der Gemeinde Rosdorf – südlich von Göttingen – erworben. Nun waren sie stolze Besitzer eines Einfamilienhauses an der niedersächsisch-hessischen Landesgrenze, das ihnen und den beiden Kindern ein gemütliches Zuhause bot.
    „Das Übliche“, antwortete Martin und öffnete die Tür zum Bad. „Ich muss gleich los ...“
    „Heißt das, dass unser gemeinsames Frühstück ausfällt?“, seufzte Sabine.
    „Sieht ganz so aus“, sagte Martin.
    „Ich dachte, du würdest noch ein wenig zu mir kommen“, nuschelte Sabine und schob die Decke beiseite.
    Martin lugte um die Ecke und meinte: „Ein sehr verlockendes Angebot, das ich leider nicht wahrnehmen kann. Die Pflicht ruft ...“
    „Du bist gemein“, stellte Sabine fest und drehte sich trotzig zur Seite. „Das werde ich mir merken.“

 
    Nachdem er das Haus verlassen hatte, steuerte Martin seinen dunkelblauen VW Passat über die Bundesstraße 27 in Richtung Göttingen. Sein Frühstück bestand an diesem Morgen aus einem Müsliriegel, dessen letztes Stück hastig in seinem Mund verschwand, als er den Wagen auf dem Parkplatz des Universitätsgeländes abstellte. Er überquerte die Straße und folgte den Hinweisschildern, die ihm den Weg zum Haupteingang, an der Stirnseite des Gebäudes, anzeigten. Mehrere Streifenwagen und zivile Polizeifahrzeuge parkten in unmittelbarer Nähe der Pforte.
    Ein uniformierter Kollege begrüßte
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