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Gwydion 02 - Die Macht des Grals

Titel: Gwydion 02 - Die Macht des Grals
Autoren: Peter Schwindt
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Dasein auf einem Bauernhof bei weitem nicht so gefährlich.“
    Pegasus schnaubte missbilligend und schüttelte seine Mähne. Dann scharrte er mit den Hufen und schnupperte am Heu, ohne es jedoch anzurühren.
    Gwyn gab dem Pferd seufzend einen Klaps, dann nahm er sich eine seiner alten Haselnussgerten, ließ sie ein paarmal prüfend durch die Luft zischen und pfiff nach den Schweinen. Wie auf Kommando kamen die Tiere kurze Zeit später aus dem Unterholz getrappelt und scharten sich um ihn. Sie gehorchten ihm immer noch wie durch Zauberei.
    Gwyn seufzte.
    Nun war er also wieder der Herr der Schweine.

 
    Zu Hause in der Fremde
     
     
     
    Gwyn war sein ganzes Leben noch nie so lange von zu VJ Hause fort gewesen, und so wunderte er sich nicht, dass ihm selbst die vertrautesten Plätze nun seltsam fremd vorkamen. Dabei hatte sich eigentlich nichts verändert. Im alten Eichenhain wuchsen immer noch dieselben Bäume, der kleine Bach plätscherte wie früher dahin und auch die Vögel in den Bäumen sangen ihre alten Lieder. Und dennoch stellte sich kein Gefühl der Vertrautheit ein. Es war ihm, als befände er sich in einem Traum, der zwar nicht beängstigend oder beunruhigend war, in dem er sich aber fremd fühlte. Alles um ihn herum erschien ihm unwirklich.
    Er kramte seine Schleuder hervor und suchte den Boden nach geeigneten Kieseln ab. Wenn ihn früher etwas bedrückt hatte – und das waren meistens Streitereien mit seinem Bruder Edwin gewesen –, hatten ihn Zielübungen meistens auf andere Gedanken bringen können.
    Doch heute fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Selbst auf eine Entfernung von fünfzig Fuß schaffte er es nicht, den Stamm einer gewaltigen Buche zu treffen. Und auch die Schweine schienen zu wittern, dass mit ihm etwas nicht stimmte, denn sie hatten begonnen, sich in einiger Entfernung zusammenzurotten und ihn misstrauisch zu beäugen.
    Gwyn hatte geglaubt, dass das Gefühl der Heimatlosigkeit, das ihn auf Camelot gequält hatte, mit seiner Rückkehr nach Redruth verschwinden würde. Doch er hatte sich getäuscht. In Camelot hatte er sich wegen seiner Herkunft und Merlins düsterer Prophezeiung als Außenseiter gefühlt. Jedoch fühlte er sich nach allem, was er an König Arturs Hof erlebt hatte, in Redruth wie an einem fremden Ort. Gwyn dachte an Prinzessin Aileen, seinen Freund Rowan und an die anderen Knappen auf Camelot, die er zurückgelassen hatte.
    Plötzlich überflutete Gwyn ein Gefühl der Einsamkeit, wie er es noch nie in seinem Leben gespürt hatte. Er hatte seine Wurzeln verloren, und der Gedanke ließ ihn innerlich frieren. Umso klarer wurde ihm, dass er endlich das Rätsel um seine Geburt und seine verstorbene Mutter lösen musste.
    Der Mann stand so unvermittelt auf der Lichtung, dass selbst die Schweine seine Anwesenheit zunächst nicht bemerkt hatten. Es war eine zerlumpte, hagere Gestalt von geradezu riesenhaftem Körperwuchs. Vom struppigen Scheitel bis zu den schmutzverkrusteten Sohlen mochte er gut und gerne sechs Fuß messen.
    Doch es war nicht die einschüchternde Größe des Unbekannten, die Gwyn sofort zur Schleuder greifen ließ. Es waren seine abgründigen, tiefblauen Augen, die er sofort wiedererkannte. Sie hatten ihn einige Tage zuvor beim See fiebrig angestarrt. Es war der Fremde und er musste Gwyn den ganzen Weg gefolgt sein! Verdammt, wenn es sich nun doch um einen von Mordreds Männern handelte? Dann hatte er seine Familie in tödliche Gefahr gebracht!
    „Bleibt, wo Ihr seid!“, schrie Gwyn, doch der Mann ging hölzern wie eine Puppe weiter auf ihn zu. „Seid gewarnt, ich weiß mich zu wehren!“ Mit zitternden Fingern legte Gwyn einen Stein in die Schleuder und ließ sie pfeifend über seinem Kopf kreisen. Als der Mann noch immer nicht innehielt, ließ Gwyn los.
    Es war eine perfekte Flugbahn, die der Kiesel beschrieb, und er hätte den Mann auch am Kopf getroffen, wenn dieser den Stein nicht mit einer blitzartigen Bewegung aus der Luft gegriffen hätte. Die Hand schoss so schnell nach oben, dass Gwyn vor Überraschung einen Schrei ausstieß. Solche Reflexe hatte er noch nie gesehen! Gwyn geriet in Panik. Was sollte er nur tun?
    Da sank der Fremde plötzlich auf die Knie, schlug die Hände vors Gesicht und wimmerte: „Warum habe ich den König nicht nach seinen Wunden gefragt?“ Er schluchzte auf, stöhnte laut wie unter großen Schmerzen und brach bewusstlos zusammen.
    Gwyn stand mit pochendem Herzen und zitternden Knien eine ganze Weile reglos da.
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