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Gwydion 02 - Die Macht des Grals

Titel: Gwydion 02 - Die Macht des Grals
Autoren: Peter Schwindt
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er hielt sie fest umklammert und zog sie zu sich heran. Muriel schauderte und wehrte sich verzweifelt.
    „Evienne…“, hauchte er und verzog den Mund zu einer Art Lächeln. Dabei sahen Muriel und Gwyn, dass seine Zähne schwarz verfärbt waren.
    Gwyn war aufgesprungen und versuchte, seine Schwester aus dem eisernen Griff des Wahnsinnigen zu befreien. Der Mann, der so krank und schwächlich wirkte, stieß ihn jedoch ohne die geringste Anstrengung weg, als wäre er eine Strohpuppe.
    „So lange bin ich durch das wüste Land gewandert. Doch ich habe den Gral verloren“, flüsterte der Mann jetzt heiser. „Dabei hielt ich ihn fast in meinen Händen.“
    „Gwyn, hilf mir!“, wimmerte Muriel verzweifelt.
    Ohne noch lange zu überlegen griff Gwyn nach einem schweren Stück Holz und schlug mit aller Kraft zu. Mit einem lauten Stöhnen sank der Mann zurück ins Stroh.
    Gwyn starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Was hatte der Wahnsinnige da eben gesagt?
    Muriel rieb sich das schmerzende Handgelenk und sah zu ihrem Bruder auf, der schwer atmend an einem Balken lehnte.
    „Um Himmels willen, Gwyn! Du bist ja kalkweiß!“
    „Er sagte, er habe den Gral verloren“, flüsterte Gwyn, als könne er nicht glauben, was er eben gehört hatte.
    Muriel sah ihn stirnrunzelnd an. Offenbar fürchtete sie, ihr Bruder sei nun ebenfalls dem Wahnsinn anheim gefallen.
    „Ja, das habe ich auch verstanden. Er muss im Fieberwahn gesprochen haben. Ich habe jedenfalls noch nie etwas von einem Gral oder einer Frau namens Evienne gehört.“
    Gwyn ließ sich schwer ins Stroh fallen.
    „Artur ist schon sein ganzes Leben hinter dem Heiligen Gral her. Es soll eine Art Gefäß sein und es heißt, Jesus habe mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahl aus diesem Kelch getrunken. Er ist seit über tausend Jahren verschollen. Wer aus ihm trinkt, soll das ewige Leben erlangen. Bisher sind alle Versuche, ihn zu finden, fehlgeschlagen. Doch Merlin ist im Besitz eines geheimnisvollen Buches, das den Weg zu ihm weisen soll. König Artur glaubt, er sei kurz davor, den Gral endlich in seinen Besitz zu bringen, aber auch Mordred ist ihm seit Jahren auf der Spur.“
    Muriel betrachtete Gwyn stirnrunzelnd, als müsse sie sich erst einen Weg durch diese Hirngespinste bahnen.
    „Aber du glaubst doch nicht, dass ausgerechnet dieser Verrückte das Geheimnis gelüftet haben soll?“ Sie schien nachzudenken. „Eine Sache ist mir aufgefallen“, sagte sie schließlich und öffnete den Mund des Fremden. „Siehst du die Zähne?“
    Gwyn nickte. „Sie sind schwarz.“
    „Wie seine Zunge.“
    „Vielleicht hat er in den Wäldern irgendwelche Früchte gegessen, die ihm nicht bekommen ist“, überlegte Gwyn.
    „Aber welche? Ich kenne keine Frucht, die solch eine Wirkung hervorruft“, entgegnete Muriel.
    „Also muss es etwas anderes gewesen sein“, sagte Gwyn und sah seine Schwester an.
    „Du denkst das Gleiche wie ich?“, fragte Muriel.
    „Ja“, entgegnete Gwyn. „Der Mann ist vergiftet worden.“

 
    Dunkle Familiengeheimnisse
     
     
     
    Gwyn entschied sich, den Abend und die Nacht an der Seite des Fremden zu verbringen, der unerträgliche Schmerzen zu haben schien. Immer wieder wälzte er sich auf seinem Lager stöhnend hin und her. So ausgezehrt er auch war, so verweigerte er doch jede Form von Nahrung, sei es Haferbrei oder Rübenmus. Einzig das dargereichte Wasser trank er gierig, um kurz darauf wieder in tiefe Fieberträume zu fallen. Gwyn zwang sich dazu, wach zu bleiben, da er befürchtete, dass sich der bedenkliche Zustand des Kranken noch weiter verschlimmern könnte. Verzweifelt versuchte er, mit kalten Wickeln das Fieber zu senken. Erst im Morgengrauen fühlte sich seine Stirn etwas kühler an und die beängstigenden Zuckungen ließen nach. Doch die Verfassung des Mannes blieb mehr als ernst.
    Als die Sonne durch die niedrige Tür auf sein Gesicht schien, schreckte Gwyn hoch. Seine Zunge fühlte sich wie ein verdorrtes Stück Holz an und er hatte höllische Kopfschmerzen. Gwyn versuchte den rechten Arm zu heben, auf dem er wohl die ganze Zeit gelegen hatte und der jetzt schlaff an seiner Seite herunterhing, als ob er nicht zu ihm gehörte.
    Neben ihm atmete der Fremde tief und gleichmäßig.
    Vorsichtig massierte Gwyn seinen eingeschlafenen Arm, der mit einem unangenehmen Prickeln wieder zum Leben erwachte. Von draußen drang das Blöken von Schafen zu ihm in den Stall. Sein Vater und Edwin waren offenbar aus Camborne zurückgekehrt.
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