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Guten Tag, ich bin das Hausgespenst

Guten Tag, ich bin das Hausgespenst

Titel: Guten Tag, ich bin das Hausgespenst
Autoren: Marie Louise Fischer
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für das es eigentlich zu groß war; aber asphaltiert war die Fahrbahn.
    „Wenn uns jemand begegnet, was dann?“ erkundigte sich Monika.
    „Muß einer von uns ausweichen. Gerade vor uns ist wieder so eine Ausweichstelle. Aber nur keine Sorge, hier ist nicht viel Verkehr.“
    Damit hatte er recht. Es kam ihnen nur ein einziges Fahrzeug entgegen, ein Traktor, der einfach in die Wiese hinein- und an ihnen vorbeifuhr. Die Landschaft wurde jetzt wirklich schön. Felder breiteten sich aus, Wiesen und Wälder, und nach einiger Zeit verschmolzen die hohen weißen Häuser von Ottobrunn mit der Silhouette von München zu einem Hintergrund zusammen, der nicht mehr störte. Ein Wald nahm sie auf, und plötzlich war alles, was an Stadt erinnerte, völlig verschwunden.
    „Wir fahren durch Heidholzen“, erklärte Herr Graunke, „aber wenn Sie zu Fuß zur S-Bahn-Station wollen, brauchen Sie das nicht. Da gibt es eine Abkürzung.“
    Heidholzen bestand aus fünf weiß gekalkten Häusern, bayerischen Bauernhäusern mit geschnitzten braunen Holzbalkonen, auf denen im Sommer sicher Kästen mit roten Geranien standen. Es gab einen Brunnen, dessen Wasser in einen ausgehöhlten Baumstamm plätscherte, viele Obstbäume, die jetzt noch kahl waren, und Katzen, die sich auf den ausgetretenen steinernen Schwellen sonnten. Der Weiler wirkte, als wäre er von der Welt vergessen, und man konnte sich schwer vorstellen, daß die Großstadt München nur knappe zwanzig Minuten entfernt war.
    „Hier gefällt’s mir!“ rief Monika begeistert. „Das ist... wie in der Sommerfrische.“
    „Es gibt nicht einmal einen Laden“, stellte die Mutter fest.
    „Milch, Eier, Butter und Brot können Sie von einem der Bauern beziehen“, erklärte Herr Graunke, „alles andere bekommen Sie in Wächterhof oder in Ottobrunn.“
    Sie fuhren in einen kleinen Wald hinein.
    „Bis vor einem Jahr hat es hier nur einen Weg gegeben“, erklärte Herr Graunke, „da war das Haus im Winter kaum zugänglich. Jetzt, wo die Straße asphaltiert ist, wird der Schnee regelmäßig von der Gemeinde geräumt.“
    Monika preßte ihre Nase an die seitliche Fensterscheibe; sie entdeckte eine baumbestandene Erhebung, auf der sie einige Mauerreste zu sehen glaubte. „Ist das der Berg mit der Schloßruine?“ fragte sie. „Da links?“
    „Ja. Dem Besitzer gehörte das ganze Land ringsum. Die Heidholzner waren seine Leibeigenen.“
    „Leibeigene!?“ rief Monika. „Sklaven? Und das in Bayern! Sie machen wohl Witze!“
    „Keineswegs“, sagte ihr Vater, „die Leibeigenschaft ist erst durch die bayerische Verfassung von achtzehnhundertundacht aufgehoben worden.“
    „Mein Schwein pfeift!“ Monika war fassungslos.
    „Das habe ich auch nicht gewußt“, gestand Liane mit einem seltenen Anflug von Selbsterkenntnis.
    „Sie arbeiteten später weiter für ihn“, erzählte Herr Graunke, „wurden dann...“
    „Wie hieß er?“ wollte Monika wissen. „Der Besitzer, meine ich?“
    „Keine Ahnung. So weit geht mein Interesse an dieser Gegend nicht. Es würde sich wohl auch nur schwer feststellen' lassen. Es gibt ja keine Kirche und kein Bürgermeisteramt, in denen sich Dokumente aufstöbern ließen. Es sieht aber so aus... ich habe mir einmal den Spaß gemacht und bin auf den Hügel hinaufgekraxelt... als wenn dort eine kleine Kapelle gestanden hätte. Es sind aber nur noch ein paar Grundmauern vorhanden.“
    „Schade.“
    „Warum?“ fragte Liane. „Wir suchen doch bloß ein Haus, in dem wir leben können. Dazu brauchen wir doch nicht zu wissen, wer früher mal in einer ollen Ruine gehaust hat.“
    „Mich interessiert’s aber“, beharrte Monika.
    „Jedenfalls ist die Familie schon Ende des vorigen Jahrhunderts nach München gezogen. Sie haben ihr Land zuerst verpachtet, später verkauft. Ob heute noch jemand von ihnen lebt, weiß ich nicht.“

    „Ich finde, Sie wissen allerhand“, stellte Herr Schmidt fest.
    Herr Graunke lachte und tastete wieder einmal, ob die über die Stirn geklebte Haarsträhne noch an ihrem Platz war. „Ich gehe den Dingen gern auf den Grund.“ Er trat auf die Bremse und nahm Gas weg. „So, da wären wir... von hier aus haben Sie einen hübschen Blick.“
    Er stieg aus und öffnete ihnen die Tür.
    Zu ihren Füßen, unterhalb einer Böschung, lag der Teich. Er war größer, als sie ihn sich vorgestellt hatten, eigentlich schon ein Weiher, ein stilles, grünes Gewässer, an dessen bewachsenem Ufer ein alter Kahn schwamm.
    Das Haus stand
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