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Guten Tag, ich bin das Hausgespenst

Guten Tag, ich bin das Hausgespenst

Titel: Guten Tag, ich bin das Hausgespenst
Autoren: Marie Louise Fischer
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daß man kaum noch erkennen konnte, was es darstellte. Nur das Gesicht war noch deutlich zu erkennen, das helle Gesicht eines Jungen, das von altmodisch frisiertem, weißgepudertem Haar, vielleicht auch von einer Perücke umgeben war. Die übergroßen Augen unter den dünnen Brauen waren klar. Am Hals trug er wahrscheinlich ein Spitzenjabot, Spitzen auch an den Ärmeln seines Anzuges, der früher wohl hellblau gewesen war.

    „Das Gemälde? Es gehört zum Haus.“
    „Soll das der junge Mozart sein?“
    „Jemand aus der Zeit.“
    Die anderen waren jetzt dazugekommen und betrachteten das Gemälde kritisch.
    „Eine gute Arbeit war das aber nie“, stellte die Mutter fest, „eine ziemliche Schmiererei, würde ich sagen.“
    „Es ist auch nichts wert“, stimmte Herr Graunke zu, „wahrscheinlich hat es sich deshalb hier im Haus gehalten. Es ist das einzige Stück aus dem achtzehnten Jahrhundert, das es hier noch gibt.“
    „Muß es hier hängen?“ fragte der Vater.
    „Natürlich nicht. Sie können es genausogut auf den Dachboden tun.“
    „Das werden wir... falls wir uns für das Haus entscheiden.“
    „Aber, Vati!“ schrie Monika. „Das ist doch keine Frage!“
    „Wo ist die Küche?“ fragte Frau Schmidt.
    Herr Graunke zeigte sie ihr. Es war eine Traumküche. Der Boden war mit roten Fliesen ausgelegt, und der Herd stand in der Mitte unter einem Abzug. Geradewegs aus der Küche führte eine Treppe in einen Vorratskeller, in dem es, wie der Makler versicherte, im Sommer stets angenehm kühl war und selbst im stärksten Winter nicht fror. Neben der Küche gab es zwei kleine Gelasse, das eine als Besen-, das andere als Speisekammer gedacht.
    Frau Schmidt, die es gewohnt war, in kleinen Neubauküchen zu wirtschaften, konnte ihre Begeisterung nicht verbergen.
    Außerdem waren im Erdgeschoß noch zwei Zimmer, die von der Wohndiele aus zu erreichen waren. Das eine hatte den romantischen Blick nach hinten zum Teich, von dem anderen aus sah man auf die große Wiese mit den Obstbäumen.
    Das Treppenhaus war schmal, und die Stiege sehr steil, so als hätte der Erbauer keinen Platz dafür verschwenden wollen. Im oberen Stock gab es noch fünf Zimmer und zwei Bäder, die um einen großen, niedrig wirkenden Raum gruppiert waren, in dem man, besonders bei Regenwetter, sicher herrlich spielen konnte. Alle Böden waren mit schönem altem Holz ausgelegt, die Wände weiß gekalkt.
    Die Schmidts fanden keine Worte und keine Fragen mehr. „Das ist ja alles“, brachte Monika endlich heraus, „viel zu schön, um wahr zu sein!“

    „Du sagst es!“ bestätigte der Vater; er wandte sich dem Makler zu. „Nun mal heraus mit der Wahrheit, Herr Graunke! Wo liegt der Hund begraben?“
    Der Makler fingerte an seiner angepappten Strähne. „Sie brauchen gar nicht so einen Ton anzuschlagen! Selbstverständlich erkläre ich Ihnen alles! Das hätte ich getan, auch wenn Sie mich nicht gefragt hätten. Aber zuerst wollte ich Ihnen doch mal das Haus zeigen, damit Sie sich ein Bild machen können...“
    „Das haben Sie inzwischen ja getan!“
    „Nur den Stall haben wir noch nicht gesehen!“ erinnerte Monika.
    „Richtig“, sagte Herr Graunke erleichtert, „den wollen wir jetzt zunächst mal unter die Lupe nehmen. Es ist hier auch nicht der Ort für ein längeres Gespräch. Das Fräulein Liane zittert schon. Kein Wunder, es ist seit einem Monat hier nicht mehr geheizt worden. Da setzt sich die Kälte im Haus fest.“
    Alle merkten jetzt, daß sie froren, und folgten bereitwillig dem Vorschlag des Maklers. Sie verzichteten auch darauf, den Dachboden und den Keller zu besichtigen, denn sie hatten es eilig hinauszukommen.
    Monika lief noch in den Erker, um das Fenster zu schließen, das sie vorhin geöffnet hatte. Dabei fiel ihr wieder das Gemälde des Jungen mit den weißen Locken ins Auge. Für Sekunden hatte sie den Eindruck, daß es sich verändert hatte. Aber sie hätte nicht sagen können, woran es lag und schlug sich den Gedanken schnell wieder aus dem Kopf, denn das konnte es doch gar nicht geben. Der Himmel draußen hatte sich wieder verdüstert, deshalb war die Beleuchtung jetzt anders, und das war alles.
    Rasch lief sie den anderen nach, die inzwischen schon bei der Scheune waren. Nur Herr Graunke wartete auf sie und schloß hinter ihr ab.
    Der Stall übertraf Monikas Erwartungen. Obwohl er etwa zur Hälfte als Garage umgebaut worden war, blieb noch Platz genug für mindestens sechs Pferde — wobei gesagt werden muß, daß
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