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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob
Autoren: Hans G. Bentz
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produzieren. Meine Sehnsucht nach einem Tier blieb weiterhin ungestillt.

JAKOB

    Das Osterfest verscheuchte vorübergehend die leichte Melancholie, die sich seit dem Erlebnis mit Harras auf mich gesenkt hatte. Ich war nicht mehr zu ihm gegangen, trauerte aber um so mehr dem Phantasiehund nach, den ich mir in meinen Träumen zurechtgemacht hatte. Zwischen den Erwachsenen, die mich liebten, aber doch durch den Strom einer Generation von mir getrennt waren, der Schule, die ich haßte, den Kameraden, aus denen ich mir nicht viel machte, und meinem Spielzeug, das ich gewissermaßen mit meinem Herzblut beleben mußte, klaffte immer schmerzlicher eine Lücke. In ihr wucherte die Sehnsucht nach einem Wesen, das man nicht zu beleben und nicht zu umschmeicheln und nicht argwöhnisch im Auge zu behalten brauchte. Ein Wesen, das von sich aus Liebe gab, ungehemmt, bedingungslos, verschwenderisch, wie ich sie auch so gern gegeben hätte. Ein verschwiegenes Wesen, dem man alles anvertrauen und für das man sorgen konnte.
    Die Familie hatte sich seit dem Ende Wilhelmines passiv verhalten, aber ich wußte, daß man mich genau und nicht ohne liebevolle Sorge beobachtete. Ich selbst hatte das Thema Tier auch nicht wieder erwähnt und hielt in diesem Punkt einen leichten, würdevollen Trotz für die angemessene Haltung.
    Aber nun war Ostern! In den Konfitürenläden wimmelte es von Schokoladenhasen, goldenen Eiern, aus denen Konfekt quoll, und putzigen, knallgelben Küken mit roten Halsbändchen und kleinen Messingglöckchen daran.
    Es war mein Ehrgeiz, die Überraschungen für die Familie aus meinem ersparten Taschengeld zu bestreiten. Nicht einen Pfennig Unterstützung hätte ich dafür angenommen. Für Opapa hatte ich ein Pappkästchen gekauft, das wie Holz aussah und zehn Schokoladenzigarren enthielt. Sie hatten weiße Asche aus Zucker, und das Glimmen des Feuers war durch schmale rote Papierbändchen dargestellt. Opapa aß nämlich gern Süßigkeiten und — wenn man nicht aufpaßte — morgens die Marmelade mit dem Löffel. Er leckte ihn dann immer schnell ab, daß er wie sauber aussah, und legte ihn wieder neben die Dose. Omama nannte das eine Schweinerei.
    Für die Omama hatte ich eine Packung Schokoladenhörnchen mit Ingwerfüllung gekauft. Ingwer aß sie leidenschaftlich gern, aber es war eine teure Angelegenheit, so daß für die Mama nicht mehr viel übrigblieb. Ich beschloß daher, auf jede Aufmachung zu verzichten, und erstand ihre Vorliebe, Cognackirschen, aber uneingepackt, in der Tüte. Von Franz holte ich mir grün gefärbte Holzwolle, mit der das Schaufenster des Friseurladens ausgestattet wurde. Es widerstrebte mir aber, die Cognackirschen so einfach auf die Holzwolle zu legen. Wenn man so ein großes, aufgeklapptes Pappei hätte, wie sie überall mit Konfektfüllung in den Schaufenstern standen! Oder wenigstens irgendeinen anderen netten Behälter... Ich durchstöberte heimlich alle Schubladen, und siehe da, in Mamas Kommode, ganz hinten unter den Strümpfen, fand ich genau, was ich suchte: zwei große Ostereihälften, mit Stoff benäht, allerdings in der Mitte aus unerfindlichen Gründen durch einen Stoffstreifen verbunden. Eine Hälfte brauchte ich nur. So schnitt ich den Streifen durch, polsterte die Hälfte mit der grünen Holzwolle aus und arrangierte die Cognackirschen hinein. Wunderbar! Es sah so schön aus, daß ich nach kurzem Überlegen auch noch die zweite Hälfte auspolsterte und Omamas Ingwerstäbchen hineinlegte.
    Ostersonntag kam. Ich merkte an dem Getuschel der Familie und an Opapas pfiffigem Gesicht, daß etwas ganz Besonderes los war. Sollten sie doch einen Hund...? Eine unsinnige Freude wollte sich meiner bemächtigen, aber ich kämpfte sie gewaltsam nieder, um nicht wieder enttäuscht zu sein.
    Traditionsgemäß versteckte ich zuerst, damit man sich dann ungestört an meiner Freude weiden konnte. Es dauerte eine ganze Weile, bis meine schönen Pappeier gefunden wurden, denn man mußte die schweren Sessel deswegen abrücken. Dann aber war der Erfolg durchschlagend. Opapa rückte in seiner Lieblingsrolle als starker Mann den ersten Sessel beiseite und hob ein Pappei auf. »Das ist für Omama!« sagte ich.
    Er stand da, starrte es verdutzt an, und dann überzog ein unbeschreibliches Grinsen sein Gesicht:
    »Hier, Paulchen«, sagte er, »dein Osterei!« Und dabei betonte er das >Osterei< in einer merkwürdigen Weise, zog dann das Taschentuch heraus, verhüllte sein Gesicht und drehte sich um, wobei
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