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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob
Autoren: Hans G. Bentz
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hatte.
    »Hast du’s nun verstanden?« fragte er, nachdem er mir alles in seiner sauberen kleinen Handschrift vorgeschrieben hatte.
    »Keine Ahnung!« Und dabei seufzte ich tief, während ich seine Formeln mit meiner Sauklaue in das Heft übertrug.
    »Aber wenn du doch Offizier werden willst, mußt du doch Mathematik können!« meinte Franz ängstlich.
    »Ach, Scheiße!« sagte ich weltmännisch. Das sagten immer die drei Großen in meiner Klasse, die schon zweimal sitzengeblieben waren, Ringe unter den Augen hatten und sich Bilder ansahen, die der eine von zu Hause mitbrachte und die sie uns Jüngeren nicht zeigten, weil sie >nichts für Hosenkacker< seien.
    Franz schwieg erschüttert. Die Mama steckte den Kopf zur Tür herein: »Es ist angerichtet!« Franz wirbelte auf der Hinterhand herum und war wie ein geölter Blitz im Eßzimmer nebenan. Dort vertieften wir uns in unseren Kakao und in ein Gebirge von Zuckerhörnchen und Sahnerollen, die auf einem Fundament einfacherer Fünf-Pfennig-Stücke ohne Füllung ruhten. Franz trug zwei Drittel davon im Handumdrehen ab. Auch das Fundament, aus dem ich mir nichts machte, weil es einem beim Lachen immer in die Kehle kam und man dann husten mußte.
    »Du...«, sagte Franz, nachdem er den letzten Streuselkuchen mit hervorquellenden Augen hinuntergewürgt hatte, »ich hab ‘n Hund!«
    »Wa...?« Mir blieb der Mund offen.
    »Harras heißt er.«
    »Ansehn, Mensch!« Und schon war ich auf, ‘raus auf den Flur, die Mütze vom Haken gerissen. »Wo wollt ihr denn hin?« fragte Valeska, die ich beinahe umrannte, als sie mit dem Tablett kam, um den Tisch abzuräumen.
    »Hund ansehn. Franz hat ‘n Hund. Nu komm schon, Mensch!«
    Franz, der noch unter der Kuchenfülle wankte, hatte sich mit seinen Kulleraugen an Valeska festgesaugt: »Gibt’s auch bestimmt Eier, Fräulein Valeska?«
    Der Titel >Fräulein< ließ ihr mürrisches Gesicht erstrahlen: »Harte, mit Sardellen drauf!«
    »Au Backe!« sagte er und rutschte das Treppengeländer herunter.
    Ich schleppte ihn zwei Ecken weiter, tobte durch den Friseurladen in das dunkle Hinterzimmer, dessen einziges Fenster auf einen engen Hofschacht mündete. Und dort kam uns Harras entgegen, ein schwarzer Riesenschnauzer, fast so hoch wie ich. Er hatte große, runde braune Augen wie Franz, setzte sich auf Kommando hin, gab die Pfote und leckte mir über das Gesicht, als ich ihm um den Hals fiel.
    Frau Heinke, Franzens Mutter, kam aus dem Laden: »Gefällt er dir, Hänschen?«
    Ich ließ kein Auge von Harras: »Ach, ist der schön! Gehört der euch?«
    »Nein, ein Kunde hat ihn uns in Pension gegeben, auf drei Monate, weil er ins Ausland reisen mußte.«
    Franz errötete. Wahrscheinlich, weil er ihn als sein Eigentum ausgegeben hatte.
    »Wirste wenigstens weinen, wenn er wieder wegkommt?« fragte ich.
    »Bestimmt!«
    »Ich würd’ auch! Und was der für Pfoten hat... Und die Zähne... Mensch, wie ‘n Wolf. Der wird mit ‘m Bären fertig, wenn man ihn mit auf die Jagd nimmt, glaubste?«
    »Klar.«
    Ich mußte ihn immer ansehen. Das war es, was mir fehlte! Ein eigener Hund, mit dem man spielen und jagen und dem man alles erzählen konnte und der immer nett und dankbar war. Ein eigenes Tier, das einem ganz allein gehörte!
    Wir gingen mit ihm spazieren. Ich führte ihn, und er riß mich fast um, wenn er an einen Baum wollte, so viel Kraft hatte der. Schließlich mußte ich ihn schweren Herzens zurückbringen. Franz wurde unruhig, wegen des Abendbrotes.
    Vor dem Essen spielten wir noch schnell eine Runde Trapper und Indianer, wobei es Franzens Hauptaufgabe war, diverse Indianerleichen darzustellen. Er befand sich auf diese Weise meist in horizontaler Lage, was ihm im Hinblick auf die innere Verarbeitung der Kuchenmenge nicht unangenehm zu sein schien. Als Belohnung für so viel willig ertragene Niederlagen war er dann gleichberechtigter Partner in unserer Glanznummer >Nacht im Zelt<. Das Zelt bestand aus vier hochlehnigen Stühlen, die wir mit den Rücken gegeneinanderstellten und mit Decken überhängten. Der Proviant wurde der Familie geraubt, die vor unseren drohenden Pistolenmündungen gehorsam die Hände hob. Unsere Beute, darunter die harten Eier, in Scheiben geschnitten und mit Sardellen dekoriert, schleppten wir in unseren Schlupfwinkel, wo wir sie siegestrunken und mit lautem Schmatzen auffraßen. Die sonst verpönten Eßgeräusche wurden ausnahmsweise zugelassen, nachdem ich Opapa aus Karl May bewiesen hatte, daß ein echter Trapper
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