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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob
Autoren: Hans G. Bentz
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— es wird alles notiert. Ich bewundere das.
    Ich habe natürlich auch eine Soldatensammlung und eine Briefmarkensammlung, aber es geht in beiden bedeutend liederlicher zu. Ich hatte auch mehrfach Listen begonnen, aber sie kamen selten über die erste Seite hinaus und verwandelten sich bald in Schlachtenbilder oder Hunde oder Blumen und Vögel, und was mir sonst noch in den Sinn kam.
    Opapa kann das alles viel besser. Er hat ja aber auch viel mehr Zeit in seinem Leben dazu gehabt. In meinem Alter, meint er, hätte es bei ihm auch nicht so geklappt. Es würde schon noch kommen. Ich neide ihm seinen Vorsprung nicht. Ich sonne mich an seiner Vollkommenheit und fühle einen unbändigen Stolz, sein Bundesgenosse gegen die Frauen zu sein, die das alles nicht verstehen und zum Beispiel durchaus nicht einsehen wollen, was für ein wundervoller Hafen für meine Kriegsschiffe die Ecke zwischen dem Klavier und dem Ofen im Salon ist. Dauernd wollen sie mit dem Besen hinein. Dabei ist der Staub, dessentwegen die ganze Flotte auslaufen muß, nach ein paar Minuten wieder da!
    Die Frauen — das sind Omama, die Mama und die Köchin Valeska. Omama, Paula, genannt >Paulchen<, ist der Chef des Hauses. Sie ist Opapas zweite Frau. Die Mama stammt aus Opapas erster Ehe, über die nie gesprochen wird. Ich weiß nur, daß er sehr krank und fast arm war, als ihn seine erste Frau verließ... Omama, die aus Irland kam, brachte eine an Kindes Statt angenommene Nichte mit, ein Jahr jünger als die Mama, ein rötlich-blondes, sehr schönes Mädchen mit großen, blauen Augen, das auf den Namen Jenny hörte, in zwei Jahren fließend Deutsch lernte und von Anfang an sehr fest und praktisch im Leben stand.
    Die Omama verschaffte Opapa eine schöne Stellung, in der er nicht allzuviel zu tun hatte und viele Dienstreisen machen konnte, rettete den Rest des Vermögens und nahm die Erziehung der beiden Mädchen in die Hand. Sie kamen auf eine gute Privatschule, auf der die Mama immer die Erste und Tante Jenny immer die Letzte war. (Deshalb kam sie auch viel besser durchs Leben.)
    Später lernte Tante Jenny kochen und die Mama in Öl malen. Sie besuchte mit einer Staffelei bewaffnet eine Hochschule und bedeckte eine Reihe von Wandschirmen mit springenden Hirschen und bärtigen Förstern an tosenden Wildbächen. Zum Kummer der Mama wurden diese Hochschulgreuel von der Omama pietätvoll aufgehoben und schmückten unsere diversen Kamine. Ich finde diese Ofenschirme schön, weil sie mich an Onkel Gustl erinnern, der Oberförster ist und den Tante Jenny, nachdem sie kochen gelernt, ehelichte, kurz nachdem die Mama ihrerseits das gleiche mit meinem Papa getan.
    Als dann die Ehe der Mama mit dem Tode meines Vaters schon wenige Monate nach meiner Geburt tragisch endete, war wieder die Omama da. Sie nahm die trostlose junge Frau auf und das mitgebrachte Bündel, aus dem sich später meine werte Person entwickelte, und sie übernahm meine Erziehung mit derselben Energie wie seinerzeit die der beiden Töchter.
    War sie jedoch den beiden Töchtern eine strenge, wenn auch wohlmeinende Herrin gewesen, so wurde sie, ohne daß ich es im geringsten darauf anlegte oder mir dessen bewußt wurde, mein Sklave. >Der Junge« darf weder geschlagen noch ausgeschimpft werden, das Beste ist gerade gut genug für ihn, und vor der Befriedigung seiner Wünsche hört sogar die eiserne Sparsamkeit auf, mit der die Omama ein neues Vermögen aufbaut, das dereinst die Karriere «des Jungen« und die Zukunft der Mama sicherstellen soll.

    Jetzt aber ist die Mama noch jung und hübsch. Ach, so jung — und so hübsch, wenn auch für den Zeitgeschmack zu schlank. Ein stilles, folgsames, aufopferndes Wesen, das sich eine zweite Ehe versagt, um mir nicht einen Stiefvater zu geben...
    Dann ist da noch Valeska, die Köchin, von der nur zu berichten ist, daß sie eine Frisur hat, die aussieht, als habe sie sich zwei Preßkohlen auf den Kopf gelegt. Sie ist meist über irgend etwas beleidigt, hat aber ein gutes Herz und einen zwei Meter großen Möbelpacker als Freund, der manchmal sonntags auf Besuch kommt. Opapa schenkt ihm dann eine Zigarre und unterhält sich mit ihm zur Verzweiflung Valeskas über die Politik der Sozialdemokratie. Mir muß er seinen Bizeps zeigen und mich wie einen jungen Hund mit einer Hand gegen die Decke heben. Ich kann diese Offenbarung männlicher Kraft stundenlang immer wieder bewundern, bis Valeska kategorisch erklärt: »Jetzt geht’s bei uns mit dem Privatleben los,
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