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gute freunde - boese freunde

gute freunde - boese freunde

Titel: gute freunde - boese freunde
Autoren: Elke Reichart
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vor wenigen Jahren der Fall gewesen wäre. Wer aus der Generation der heute 5 0-Jährigen hat noch Kontakt zu Schulfreunden?

    Das ist bereits heute, sofern sie sich nicht bewusst dagegen entschieden haben, für die Generation der 2 5-Jährigen anders. Ihre Schulfreunde sind wesentlich schwerer abzuschütteln. Im Facebook-Sinn sind sie in den allermeisten Fällen wirklich »Freunde fürs Leben.«

    Weniger offensichtlich, aber im Leben des Einzelnen ein noch prägenderer Effekt ist die Verschmelzung von Lebenswelten, die durch soziale Netzwerke forciert wird. Während wir im realen Leben unsere verschiedenen Identitäten zum Beispiel als Arbeitnehmer, Sportler, Partygänger, Familienvater, Chef und Fußballfan – falls notwendig – sorgfältig trennen können, verschmelzen all diese Aspekte unserer Persönlichkeit in einem sozialen Netzwerk. Nur mit hohem technischem Aufwand und sehr viel Arbeit können Arbeitskollegen dauerhaft davon abgehalten werden, die Kommentare der Sportsfreunde zu sehen, oder die Bilder von der letzten Party, die ein Dritter ins Netz gestellt hat. Dadurch ändern sich auch unsere Bindungen zu anderen Menschen, zuallererst jene zu Menschen, die wir auch im realen Leben als »unsere Freunde« bezeichnen würden. Ihnen wird Toleranz und Verständnis abverlangt, sie müssen sich als |23| wahre Freunde beweisen. Wenig praktikabel erscheint in diesem Zusammenhang der von Google Chef Eric Schmidt vorgebrachte Vorschlag, Jugendlichen mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter die Möglichkeit zu geben, ihren Namen zu ändern, um die digitalen Peinlichkeiten aus der Zeit ihrer Jugend verwischen zu können. Nein, das ist keine Lösung – Facebook-Freunde, überhaupt Weggefährten, die einen digital im Leben begleiten, müssen stattdessen damit klarkommen, dass ihr neuer Freund eine digitale und reale Vergangenheit haben könnte, die ihnen nicht gefällt.

    Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen der virtuellen Welt und der realen immer mehr. (Allein die Begrifflichkeit »real« ist bereits fraglich – denn genau genommen ist das Virtuelle ja auch real.) Nachdem immer mehr Menschen immer öfter online sind, besteht Kommunikation zwischen Freunden immer öfter dauerhaft. In der Generation der 15- bis 2 5-Jährigen ist es durchaus normal, (kostenlose) Telefonsoftware wie das Programm Skype über Stunden als Standleitung zu einem Freund zu nutzen. Dabei muss nicht unbedingt die ganze Zeit gesprochen werden – es reicht, den Freund über dessen Webcam auf dem Bildschirm zu haben und seiner Stimme und seinen Aktivitäten jederzeit über die Computerlautsprecher lauschen zu können. Diese Möglichkeit, über eine digitale Leitung Stunden miteinander zu verbringen, festigt und hält Freundschaften auf dauerhafte Weise über Distanzen, die noch vor wenigen Jahren notdürftig mit rauschenden Leitungen und zu horrenden Kosten überbrückt werden mussten. Gleichzeitig entwickeln sich enge Freundschaften in einem digitalen Umfeld zu einer dauerhaften Begleitung. Auf Mobiltelefonen mit Internetzugang sind die Freunde quasi in der Hosentasche des Telefonbesitzers dabei. Die bloße Möglichkeit eines Anrufs genügt den Netzjunkies nachwachsender Generationen längst nicht mehr: |24| Das, was passiert (ist), zu erzählen ist schließlich umständlich, subjektiv massiv verzerrt (was das kleinste Problem darstellt), auf wenige Personen beschränkt und zudem auch noch zeitlich verzögert. Wie viel mehr sagt ein Foto der eigenen Person mit einem zufällig getroffenen Hollywoodstar, nur Sekunden nach der Begegnung für alle Freunde im Netz verfügbar, als ein Anruf zwei Stunden später? Wie viel einfacher lässt sich ein Unfall in Videoform beschreiben als in einem Gespräch? Die Multimedialität der Eingabe- und Aufnahmegeräte und die dauerhafte Anbindung ans Netz bedeuten eine größtmögliche Reduktion von zeitlicher Verzerrung und stellen gleichzeitig sicher, dass das Medium dem Ereignis angemessen ist. Sind beide Faktoren erfüllt, erfährt ein Erlebnis im Freundeskreis größte Aufmerksamkeit. Das Miterleben bringt Freunde näher zusammen, auch über große Distanzen.

    Gleichzeitig entsteht aus dem Wunsch, beiden Faktoren möglichst perfekt gerecht zu werden, eine Konkurrenzsituation. Insbesondere in Freundeskreisen mit jungem Altersdurchschnitt, in denen das digitale Leben weniger ein Spiegel des realen ist, sondern in eine kunstvolle Inszenierung der eigenen Person umschlägt, kann diese Konkurrenz auch
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