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gute freunde - boese freunde

gute freunde - boese freunde

Titel: gute freunde - boese freunde
Autoren: Elke Reichart
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Freundschaften zerstören. Eine übermäßige Nutzung der digitalen Kommunikationskanäle und aufkommende Konkurrenz kann bis zum Ende von Freundschaften führen. Das ist dann jedoch weniger ein internetspezifisches Problem als ein individuelles der jeweiligen Beziehung – auch offline beenden Konkurrenz, Neid und Eifersucht viele Freundschaften. Das Internet fördert diese Probleme nicht. Es bietet nur in manchen Fällen einen weiteren Anlass für sie, eine Freundschaft zu zerstören.

    Ein Nebeneffekt der gesamten Entwicklung ist, dass Freundschaften mehr und mehr auf Technik angewiesen sind, um zu |25| bestehen. Während kurzfristige technische Unerreichbarkeit aufgrund von defekten Leitungen oder Zentralcomputern eher ein nerviges, aber temporäres und damit vernachlässigbares Problem ist, kann dauerhaftes Offline-Sein sehr wohl Freundschaften beenden, Wachstum von Beziehungen in Intensität und Dauer verhindern und gleichzeitig den Zugriff auf soziale Ressourcen schmälern. Dem Netzwerk selber schaden Abstinenzler dagegen nicht – jeder Teilnehmer ist ersetzbar. Es leidet, wenn auch unbewusst oder gar aus Überzeugung, nur derjenige, der sich von der sozialen Interaktion fernhält. Demjenigen entgehen Vorteile, die sich teilweise in Geld, fast immer aber in sozialem Mehrwert bemessen lassen.

    Denn digital organisierte Freundeskreise sind erstaunlich effizient, wenn es um Hilfe für Einzelne geht. Man kann diesen Effekt am besten mit ein paar Fragen an sich selber testen: Würde man lieber zu einem Arzt gehen, den ein Freund oder der Freund eines Freundes empfohlen hat – oder zu einem, den man aus den Gelben Seiten herausgesucht hat? Vertraut man bei der Wohnungssuche in einer fremden Stadt eher den Empfehlungen von Freunden von Freunden, die schon lange in der Stadt |26| wohnen, oder einem Makler? Dass die meisten Menschen sich für die Freundesvariante entscheiden, liegt an einem sozialen Filtermechanismus. Obwohl der Makler die Stadt ebenso gut kennt, obwohl die Gelben Seiten nur praktizierende Ärzte auflisten, ist das Vertrauen in den Freundeskreis höher, schließlich teilt man mit Freunden oft Meinungen, kann sie gut einschätzen und weiß, dass sie am Wohlergehen des anderen interessiert sind. (Anders als zum Beispiel der Makler.) Die Ressource Freunde von Freunden ist online per Mausklick herzustellen und wächst mit jedem gewonnenen Facebook-Freund um ein Vielfaches an. Wer ein paar hundert Facebook-Freunde hat, hat mit einiger Wahrscheinlichkeit im Freundeskreis der direkten Freunde Kontakte auf mehrere Kontinente und in viele hundert Städte, aber auch in die verschiedensten Branchen und sozialen Milieus. Gleichzeitig garantiert die Verbindung über eine in der Regel persönlich bekannte Person, dass zumindest eine grundsätzliche Übereinstimmung in Meinung und Weltanschauung wahrscheinlich ist.

    Für bestehende Freundschaften sind soziale Netzwerke also eine Bereicherung. Für neue Freundschaften ein Faktor, der zu einer schnelleren Vertiefung und erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine dauerhafte Beziehung führt. Was aber ist mit Freundschaften, die ausschließlich online bestehen? Online zustande kommen, und ausschließlich online existieren? Freundschaften von Menschen, die sich nicht kennen: Sie treffen sich eher in |27| digitalen Clans und Gilden, also Spielergruppen in Online-Spielen. Und in den allerhäufigsten Fällen teilen sie nicht viel mehr als die Vorliebe für ein bestimmtes Computerspiel. Dementsprechend sind diese Freundschaften erfahrungsgemäß instabiler als die Kontakte in sozialen Netzwerken. Wer sich im realen Leben nicht oder niemals trifft und sich nicht auch über ein soziales Netzwerk befreundet, wird über kurz oder lang auch im digitalen Leben den Kontakt zueinander verlieren. Spätestens dann, wenn sich die gemeinsame Zeit beim Computerspielen dem Ende zuneigt, weil einer das Interesse am Spiel verliert.

    Wohin das alles in Zukunft führt, lässt sich heute nicht sagen. Die Verschmelzung von virtueller und realer Welt ist ein Prozess, der niemals abgeschlossen sein wird. Im Moment ist Facebook unter den sozialen Netzwerken der Marktführer, und auch wenn problematische Privatsphären-Einstellungen und datenschutzrechtliche Bedenken Facebook zu Recht bisweilen ins Zwielicht rücken, gibt es zu einer Registrierung auf dem Portal für die wenigsten Menschen derzeit eine echte Alternative. Wer einmal dabei ist, wird seine eigene Antwort auf die Frage finden, wie
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