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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Autoren: Gianrico Carofiglio
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vorgestellt hatte.
    Sie war lebendig, in einer der Parallelwelten, die unsere Fantasie erschafft und in denen sie ihre Geschichten ablegt. Sowohl die, die wir den anderen erzählen, als auch jene undurchsichtigeren, schlimmeren, die wir nur uns selbst erzählen.
    »Was habt ihr dann getan?«
    »Duilio hat versucht, sie künstlich zu beatmen und eine Herzmassage durchzuführen. Aber ohne Erfolg. Ich wollte unbedingt, dass wir die Polizei rufen. Ich bekam Panik.«
    Ich unterdrückte den Kommentar, dass ich mir das kaum vorstellen konnte, angesichts der Kälte, mit der sie diese grauenhafte Geschichte erzählte.
    »Aber das habt ihr nicht getan.«
    »Duilio sagte, das wäre eine große Dummheit, und wir würden nur beide im Gefängnis landen. Er sagte, es handle sich um einen Unfall, und sie sei selbst schuld, weil sie so gierig gewesen war. Wir würden sie nicht mehr lebendig machen und noch dazu unser eigenes Leben zerstören.«
    »Und was habt ihr dann getan?«
    Sie erzählte mir, was sie getan hatten, wie sie Manuelas Leiche beseitigt hatten. In einen Teppich gerollt, wie in einer billigen Theaterposse, hatten sie sie auf eine Mülldeponie gebracht, in einer einsamen Gegend der Murgia, und dort zusammen mit alten Autoreifen verbrannt, eine Methode, die Duilio für die sicherste hielt, wenn man eine Leiche beseitigen musste – es war die Methode der Mafiosi. Die Autoreifen verbrennen alles rundherum, und danach bleibt nichts mehr übrig.
    Während ich zuhörte, wurde ich von einem schrecklichen Gefühl der Unwirklichkeit erfasst, das mich schwindlig werden ließ.
    Das darf nicht wahr sein, das ist ein Albtraum. Gleich wache ich schweißgebadet in meinem Bett auf, entdecke, dass das alles nicht wahr ist, ich stehe auf und trinke ein Glas Wasser, und dann ziehe ich mich langsam an und mache einen Spaziergang, auch wenn es draußen noch dunkel ist. Das tue ich manchmal, wenn ich nicht schlafen kann.
    Auf einmal hatte ich Lust, ihr eine Ohrfeige zu geben. Ich fühlte, wie meine rechte Hand sich auf dem Sitz zusammenballte, ich dachte, wenn es schon für mich unerträglich war, diese Dinge zu erfahren, würde es für Manuelas Eltern eine Qual ohne Ende sein.
    Ich schlug sie nicht. Ich fragte weiter, denn es gab noch ein paar Dinge, die geklärt werden mussten.
    »Dachtet ihr nicht, dass die Polizei auf euch kommen würde?«
    »Nein. Manuela hatte ein zweites Telefon, das, das du entdeckt hast. Es hatte einen Chip, den ihr ein Typ aus Rom gekauft hatte, auf Duilios Rat hin, der panische Angst hatte, abgehört zu werden, sowohl wegen der Drogen als auch wegen seiner politischen Geschäfte. Diese Nummer verwendete sie nur, wenn sie mit mir oder Duilio sprechen wollte oder mit den Leuten in Rom, denen sie den Stoff verkaufte. Diese Nummer war nicht auf sie angemeldet, nicht einmal die Eltern wussten von ihrer Existenz. Deshalb konnten wir sicher sein, dass keiner die Nummer bis zu uns zurückverfolgen konnte. Keiner wusste, dass wir uns an jenem Nachmittag treffen wollten.«
    Nichts einzuwenden. Es war banal, beinahe bürokratisch und beinahe perfekt.
    Beinahe.
    »Warum warst du bereit, mit mir zu sprechen?«
    »Was sollte ich denn tun? Manuelas Mutter hatte mich darum gebeten, da konnte ich schlecht nein sagen. Ihr wärt vielleicht misstrauisch geworden, so wie du misstrauisch geworden bist, als Michele sich geweigert hat, mit dir zu sprechen.«
    »Und danach? Warum wolltest du mir helfen? Wenn man das so nennen kann, meine ich natürlich.«
    Caterina seufzte und steckte sich noch eine Zigarette an.
    »Als klar war, dass ich mit dir sprechen musste, rief ich Duilio an. Wir hatten uns seit Monaten nicht mehr gesprochen. Wir trafen uns und überlegten gemeinsam, wie ich mich verhalten sollte. Ich musste bestätigen, was ich den Carabinieri gesagt hatte, und falls mich jemand fragte, wo ich an jenem Abend war, sollte ich sagen, dass ich bei ihm gewesen war, dass wir ausgegangen waren und Manuela ein paar Tage davor zuletzt gesehen hatten. Ich hatte nicht erwartet, dass du das Thema Drogen aufbringen würdest. Als du das tatest, habe ich Angst bekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass du von dem Kokain wusstest.«
    Ich habe es tatsächlich nicht gewusst. Ich habe nur geblufft, aber du bist darauf reingefallen.
    Ich hätte jetzt großen Stolz fühlen müssen, aber das gelang mir einfach nicht. Mein Mund war trocken und bitter.
    »Als du mir sagtest, dass Michele dich nicht treffen wollte und dass sein Anwalt dich bedroht hatte,
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