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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Erregung, aber auch an der Angst, die langsam über die Dämme stieg.
    »Wenn ich zu den Carabinieri gehe, muss ich ihnen sagen, dass Manuela ein zweites Telefon hatte, von dem keiner etwas wusste. Sie werden die Nummer sehr schnell herausfinden und sich eine Auflistung der Telefonverkehrsdaten besorgen. Und dann wird es eine Menge Dinge zu erklären geben, und dabei wird es Situationen geben, die weniger angenehm sind als diese.«
    Sie antwortete nicht. Sie ließ das Fenster herunter, nahm sich eine neue Zigarette und steckte sie an. Ohne um Erlaubnis zu bitten, ohne sich um den Rauch zu scheren. Sie rauchte und starrte aufs Meer. Ich fand es unglaublich, wie ein so schönes Gesicht von Wut und Angst zu einer hässlichen Fratze verzerrt werden konnte.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du mir erzählst, was du bisher verschwiegen hast. Ich glaube, es ist besser, wenn du es mir jetzt erzählst und nicht unter anderen Umständen der Polizei und dem Ermittlungsrichter. Vielleicht können wir dadurch den Schaden in Grenzen halten.«
    »Warum bist du so sicher, dass Manuela eine zweite Nummer hatte und dass ich sie kannte?«
    Ich hätte sie beinahe gefragt, ob sie die Erzählung von Conan Doyle kannte. Ich tat es nur deshalb nicht, weil mir die Möglichkeit extrem unwahrscheinlich vorkam.
    »In der Auflistung der Telefonate, die Manuela von ihrem Handy aus geführt hat, taucht deine Nummer nicht auf.«
    Sie brauchte eine Weile, um diese Information zu verarbeiten.
    »Es gibt keine Erklärung dafür, warum ihr zwei kein einziges Mal miteinander telefoniert haben solltet, ihr wart schließlich Freundinnen. Zumindest ein Anruf hätte darunter sein sollen, denn du sagtest ja, du hättest sie wegen des Aperitifs angerufen. Aber auch dieser Anruf taucht nicht auf der Liste auf.«
    »Ich weiß nicht mehr, wo ich sie angerufen habe. Vielleicht bei ihr zu Hause …«
    »Caterina, erzähl mir von dem zweiten Telefon. Bitte.«
    Sie zündete sich noch eine Zigarette an. Sie rauchte die erste Hälfte mit merkwürdigen Kopfbewegungen, als fehlte ihr die innere Koordination. Ihr wunderschöner Teint hatte sich zu einem kranken Grau verfärbt. Auf einmal brach es aus ihr heraus, während sie weiter vor sich hin starrte: »Manuela hatte eine zweite Nummer und ein zweites Handy.«
    »Und das war die Nummer, unter der ihr euch anrieft.«
    »Ja.«
    Ich verharrte ein paar Sekunden in diesem wackeligen Gleichgewicht. Ich hatte mich darauf konzentriert, sie zu zwingen, die Existenz dieser zweiten Nummer zuzugeben, und ich war noch nicht bereit für den folgenden Teil. Dann dachte ich mir aber, dass ich auch gleich weitermachen konnte.
    »Was ist an jenem Sonntag passiert?«
    »Mir ist kalt«, sagte sie, und ihr Gesicht hatte jetzt jegliche Farbe verloren.
    Ich drückte auf den Knopf, der ihr Fenster schloss, obwohl die Kälte nicht von außen kam.
    Dann wartete ich auf ihre Antwort.

36
    I ch kann nicht glauben, dass es so weit gekommen ist«, sagte sie nach langem Schweigen und vermied es weiterhin, mich anzusehen. Ihre Worte waren dramatisch, aber der Ton war seltsam neutral und farblos.
    »Ihr wolltet euch an jenem Nachmittag treffen, nicht wahr?«
    Sie nickte wortlos.
    »Ihr hattet euch am Tag davor verabredet.«
    Sie nickte wieder.
    »Hast du sie vom Bahnhof abgeholt, als sie aus Ostuni kam?«
    »Nein. Ich war bei Duilio, und wir hatten ausgemacht, dass sie dorthin kommen sollte.«
    »Und, hat sie das getan?«
    »Ja, sie kam gegen sechs, vielleicht auch etwas später. Sie kam mit dem Taxi direkt vom Bahnhof und fragte, ob sie duschen dürfte.«
    »Wohnt Duilio allein?«
    »Ja, sicher.«
    »Wo?«
    »Er ist jetzt umgezogen, er wollte dort nicht bleiben.«
    »Wo ist dort?«
    »Das war in der Nähe des Leuchtturms, in einem der neuen Mietshäuser direkt am Meer. Jetzt wohnt er im Zentrum.«
    »Warum wolltet ihr euch sehen?«
    »Manuela fuhr nach Rom zurück und wollte Nachschub holen.«
    Ich schluckte mühsam. Das war zwar das, was ich erwartet hatte, aber ich hörte es trotzdem nicht gern.
    »Meinst du Kokainnachschub?«
    »Ja.«
    »War das Kokain nur für ihren eigenen Gebrauch bestimmt?«
    »Nein, sie verkaufte es auch, um ihren eigenen Anteil zu finanzieren.«
    »Verkaufte sie es in Rom?«
    »Hauptsächlich. Aber ich weiß nicht, wer ihre Abnehmer waren.«
    »Wusste Nicoletta das? Ich meine, wusste sie, dass Manuela dealte?«
    »Ich weiß nicht, aber ich denke nein. Was sie dir gesagt hat, als wir sie getroffen haben, war in etwa alles,
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