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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion
Autoren: Wolfgang Metzner
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der GKSS gegeben.« Ungeduldig zeigte sie nach rechts, ein paar hundert Meter stromaufwärts, wo schemenhaft die Gebäudekonturen des Forschungszentrums zu erkennen waren.
    »Was meinen Sie mit Störfall?«, fragte Mondrian.
    »Wissen Sie das nicht? Am 12. September 1986 sind dort geheime Atomwaffenexperimente gemacht worden. In einem Nebengebäude, das versteckt im Wald lag.« Die Stimme der Frau klang jetzt schriller. »Dabei ist es offenbar zu einer Explosion gekommen. Jedenfalls hat es gebrannt. Drei Zeugen haben noch aus großer Entfernung einen Lichtschein gesehen, grüngelb und ganz fahl. Und danach müssen radioaktive Stoffe ausgetreten sein.«
    »Der Verdacht ist nicht neu«, erwiderte Mondrian. Natürlich hatte er von den Behauptungen gehört, die unter Atomgegnern kursierten. »Aber Sie wissen, dass die GKSS das vehement bestreitet. Zwei Expertenkommissionen haben nach Kontaminationen gesucht, ohne wirkliches Ergebnis.«
    »Natürlich. Weil Messprotokolle manipuliert wurden. Die Daten hat man unterdrückt, und die sogenannten Fachleute waren gekauft. Haben Sie etwas anderes erwartet? Was hätte es wohl bedeutet, wenn ein solcher nuklearer Störfall in Deutschland bekannt geworden wäre, kurz nach Tschernobyl?«
    »Das Aus für die deutsche Atomindustrie, vermute ich.«
    »Genau deswegen ist alles vertuscht worden, von Anfang an bis heute. Auch von solchen Kerlen wie diesem Niemann …«
    »So hieß der ermordete Ingenieur? Woher wissen Sie das?«
    Einen Moment schien sie irritiert, aber dann sagte sie: »Ach, das ist hier längst rum. Bei uns kennt jeder jeden, und alle wissen, dass Niemann in der Nähe wohnte und in dieser Anlage arbeitete, die unsere Kinder verstrahlt hat.«
    »Vor über zwanzig Jahren? Damals war er sicher noch gar nicht bei der GKSS.«
    »Aber er wurde später zu einem Rädchen in diesem Getriebe, verstehen Sie das nicht? Für uns gehört jeder, der in der Nuklearindustrie arbeitet, zur Atommafia. Die geht bis heute über Leichen, schauen Sie doch bloß, was in Japan passiert ist. Jeder, der da mitmacht, ist schuldig, und für Niemann ist vorgestern der Tag der Abrechnung gekommen.«
    »Der Tag X?« Mondrian musste an das Zeichen an dem Baumstamm denken, das die Polizei am Tatort gefunden hatte.
    »Auge um Auge, Zahn um Zahn«, sagte sie bloß dunkel.
    »Wissen Sie«, fragte er weiter, »wie der Mann umgekommen ist?«
    Die Frau schwieg eine Weile, bevor sie antwortete.
    »Ich weiß jedenfalls, dass endlich jemand dafür gebüßt hat, dass die ganze Elbmarsch von der GKSS verstrahlt wurde. Und es ist höchste Zeit, dass Sie dieses Verbrechen enthüllen!«
    »Haben Sie denn einen Beweis für den Störfall?« Mondrian gab sich Mühe, die Skepsis in seiner Stimme zu unterdrücken.
    »Einen Beweis? Millionen. Millimeterkleine Kügelchen, die hier überall in der Erde liegen. Sie wurden damals bei dem Brand durch die Luft gewirbelt und in der ganzen Gegend verteilt. Ein paar Leute von hier, die von den Lügen der Atomlobby genug hatten, haben selbst Bodenproben genommen. Wir haben sie von russischen Wissenschaftlern untersuchen lassen. Deutsche Institute waren dafür ja nicht zu finden …«
    »Ich habe gehört, dass von den Forschern in Minsk angeblich Uran und Plutonium in diesen Teilchen gefunden wurden«, unterbrach sie Mondrian, »aber die Analyse ist umstritten. Kann ich die Untersuchungsprotokolle bekommen?«
    »Da muss ich erst die anderen fragen«, sagte die Frau ausweichend.
    »Welche anderen? Wer gehört denn zu Ihrer Gruppe?«
    »Eltern aus der Elbmarsch, vor allem Mütter. Und ein paar Freunde aus Hamburg, die endlich etwas gegen den Atomstaat tun. Die weitere Aktionen planen …«
    Sie brach ab und schaute zur Seite. Er hatte das Gefühl, dass sie mehr wusste, als sie bisher gesagt hatte.
    »Erzählen Sie mir mehr über die Sache«, setzte er nach. »Ich dachte, Sie wissen, wie Niemann umgekommen ist.«
    Sie zündete sich eine neue Zigarette an. Ihre Stimme flackerte nervös, als sie sagte: »Später vielleicht. Wenn Sie über das Verbrechen an unseren Kindern berichtet haben.«
    Mit einer schroffen Bewegung wandte sie sich zum Ausgang, um ihm zu demonstrieren, dass für sie das Gespräch zu Ende war. »Wir bleiben in Kontakt«, versprach sie vage.
    Mondrian atmete durch, als er aus dem Haus trat, in dem der Tod eines Kindes ein weiteres Leben zerstört hatte. Und nun ein drittes, das des Ingenieurs? Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese von Hass und Trauer vergiftete
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